Herstellung quarzkeramischer Perlen in einem römischen Militärlager*

von Constanze Höpken, Köln

Melonenperlen aus dem Flottenlager in Köln. Lokale Produktion (aus: Römisch-Germanisches Museum Köln, Fundbericht 1998.001, SF 1339, Foto: Ph. Gross, Köln).

Melonenperlen aus dem Flottenlager in Köln

Quarzkeramik (auch Fayence oder Fritte genannt1.) steht technologisch zwischen der Herstellung von Glas und Tonkeramik. Die chemische Zusammensetzung entspricht dem Glas; ein Rohmaterial kalt zu formen und durch den Brand zu festigen, entspricht der Produktion von Tonkeramik. Quarzkeramik als Werkstoff wurde spätestens seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. im Vorderen Orient und Ägypten zur Herstellung von Gegenständen wie Perlen, Figuren oder kleinen Gefäßen benutzt2. Kennzeichnend ist oft eine türkis-blaue Glasur, deren Erhaltung nach Herstellungstechnik und Lagerungsbedingungen sehr unterschiedlich ausfallen kann.

Auch in römischer Zeit beherrschten Handwerker im ostmediterranen Raum diese Technik. Im Mittelalter wurde sie perfektioniert, und auch heute wird sie noch in Persien zur Herstellung von Perlen angewandt, wie Jochen Brandt auf dem 32. Internationalen Hafnereisymposion in Bremen 1999 gezeigt hat3. Bis zu diesem Zeitpunkt waren römische Werkstätten für Quarzkeramik nur im Orient bekannt4. Alle quarzkeramischen Gegenstände, die außerhalb dieser Region gefunden wurden, mussten damit als Import gelten. Der Bericht Jochen Brandts über die Technologie von Quarzkeramik und Glasurverfahren führte jedoch dazu, eine Werkstatt im Kölner Flottenlager zu erkennen und damit erstmals die Herstellung quarzkeramischer Perlen in den Nordwestprovinzen nachzuweisen5.

1998 wurde in Köln Marienburg ein Bereich des römischen Flottenlagers ausgegraben6. Das Lager der classis germanica lag ca. 3 km südlich der Colonia Claudia Ara Agrippinensium auf einem hochwasserfreien Prallhang direkt am Rhein7. Heute liegt hier ein um die Jahrhundertwende erbautes Villenviertel, das durch die Streubebauung mit großen Gartenanlagen für eine relativ gute Erhaltung der archäologischen Befunde sorgte.  Durch frühere Ausgrabungen konnte ein unregelmäßig fünfeckiges Lager rekonstruiert werden, das vermutlich in tiberischer Zeit angelegt wurde und mindestens bis in das 3. Jh. n. Chr. bestanden hat8. Der Grabungsausschnitt zeigte in allen Perioden eine Bebauung mit nord-südlich ausgerichteten langgestreckten Baracken. Zwischen diesen verlief eine Lagergasse, die am westlichen Ende in die via sagularis mündete. Vermutlich gegen Ende des 1. Jhs. brannten beide Baracken ab; der Brandschutt wurde einplaniert, um Baugrund für neue Gebäude zu schaffen. Diese neuen Baracken wurden wahrscheinlich als Werkstätten genutzt, wie Reste von Knochenschnitzarbeiten, ein kleiner Ofen und Rohglasdepots belegen. Die Werkstätten brannten wiederum im ersten Drittel des 2. Jhs. ab.

Melonenperlen aus dem Flottenlager in Köln. Gefunden in einer Brandschicht (aus: Römisch-Germanisches Museum Köln, Fundbericht 1998.001, SF 1339, Foto: Ph. Gross, Köln).

Melonenperlen aus dem Flottenlager in Köln

Besonders auffällig in der Südbaracke war eine Konzentration von 43 quarzkeramischen Melonenperlen, die einen Durchmesser von etwa 1,2 cm hatten. Sie waren in einem grauen durchglühten Sediment eingebettet, das vermutlich direkt auf dem Fußboden auflag. Fasern von Leinen könnten darauf hinweisen, dass sich dieses „Perlennest“ ehemals in einem Stoffbeutel befunden hat.

Quarzkeramische Perlen werden generell an fast jeder römischen Fundstelle als Einzelstück oder in kleinen Mengen gefunden und kommen in zwei Größengruppen vor: um 1,2 cm bzw. um 2,3 cm. Im Allgemeinen finden sich die größeren Perlen im Zusammenhang mit Pferdegeschirr9, die kleineren wurden entweder zu Ketten aufgezogen oder einzeln als Talisman getragen10. Eine naheliegende Erklärung für den Fund im Flottenlager wäre demnach, dass auch hier, in einer Werkstatt, eine Kette vergessen, verloren oder deponiert worden war.  Eine Aufnahme aller Perlenfunde der Ausgrabung belegte jedoch, dass pro Bauperiode bis zu 20 einzelne Perlen insgesamt auftraten11, in dieser Periode jedoch etwa 150. Eine Kartierung dieser Perlen offenbarte zudem, dass sie im Bereich der Südbaracke konzentriert waren, wo auch das „Perlennest“ gefunden worden war: ein deutlicher Hinweis, dass hier keine „normale“ Benutzungs- und Verlustrate dieser Perlen vorlag.  Ist das massive Auftreten der Perlen, vergesellschaftet mit Hinterlassenschaften anderer Handwerkszweige in dieser Phase des Lagers, an sich bereits ein Hinweis auf eine Produktion vor Ort, zeigen auch vier Perlen aus der Konzentration dafür konkrete Indizien. Je zwei Perlen waren an der Kontaktfläche miteinander verschmolzen, was in diesem Fall nicht durch einen sekundären Brand bedingt ist, wie ein Vergleich mit brandzerstörten Perlen eindeutig erkennen lässt.

Eine nähere Betrachtung des Sedimentes, in dem die Perlen lagen, bewies außerdem, dass es nicht natürlichen Ursprungs sein kann, da es außer Quarzsand zum größten Teil aus zerkleinertem und gemahlenem Knochen besteht. Überdies finden sich Anteile gemahlenes Glas und möglicherweise Malachit. Auf einigen Knochenbruchstücken ließ sich unter dem Mikroskop eine Art Glasur erkennen. Auch die unweit des Sedimentflecks gefundenen Rohglasdepots könnten mit der Herstellung der Perlen in Zusammenhang stehen, da zerkleinertes Rohglas als Beimischung in die Quarzmasse gemengt worden sein könnte. In dieses Bild passt ebenfalls eine in diesem Bereich gefundene Balkenwaage, die zur Abmessung der Stoffe gedient haben mag, um die stöchiometrischen Verhältnisse einzuhalten. Es scheint kaum ein Zufall zu sein, dass Quarzkeramik gerade in einem Marinestützpunkt produziert wurde. Durch Grabsteine und literarische Überlieferung ist bekannt, dass das nautische Personal oft aus dem Mittelmeerraum und dem Vorderen Orient stammte12. Dass mit dieser Technik, die im Orient erfunden wurde, Perlen hergestellt werden konnten, wird auch römischen Soldaten orientalischer Abstammung bekannt gewesen sein.

Alles in allem sprechen die zahlreichen Perlenfunde, der Befund und weitere Funde sowie die kulturelle Herkunft des Flottenpersonals für eine Produktion von quarzkeramischen Melonenperlen im Flottenlager Alteburg in Köln zu Beginn des 2. Jhs. n. Chr. Mit dem Nachweis einer Produktion quarzkeramischer Perlen außerhalb der klassischen Produktionsgebiete im östlichen Mittelmeerraum kann nicht mehr jedes Stück als teurer Import angesehen werden. Mit der Entdeckung weiterer Werkstätten sollte in den Nordwestprovinzen gerechnet werden.

Weiterführende Literatur:

A. Abegg, Der römische Grabhügel von Siesbach. In: Trierer Zeitschrift 52, 1989, S. 214.
Jochen Brandt, Khar Mohre – Die Entschlüsselung einer iranischen Glasurtechnik und Bezüge zur ägyptischen Fayence. In: R. Busz u. P. Gercke (Hgg.), Türkis und Azur. Quarzkeramik im Orient und Okzident. Kassel 1999, S. 170-187.
R. Busz u. P. Gercke (Hgg.), Türkis und Azur. Quarzkeramik im Orient und Okzident. Kassel 1999.
N. Hanel, Die Ausgrabungen im Lager der Classis Germanica in Köln-Marienburg (Alteburg) in den Jahren 1927/28. In: Kölner Jahrbuch 31, 1998, S. 351-400.
M. Kemkes u. J. Scheuerbrand, Zwischen Patroullie und Parade. Die römische Reiterei am Limes. Schriften des Limesmuseums Aalen 51. Aalen 1997.
M.-D. Nenna u. M. Seif el-Din, Die ägyptischen Fayencewerkstätten in hellenistisch-römischer Zeit. In: R. Busz u. P. Gercke (Hgg.), Türkis und Azur. Quarzkeramik im Orient und Okzident. Kassel 1999, S. 76-83.
Oschmann: Römisches Flottenkastell. In: H. G. Horn (Hg.), Die Römer in Nordrhein-Westfalen. Stuttgart 1987, S. 517-519.
H. D. L. Viereck, Die Römische Flotte. Classis Romana. Hamburg 1996.


 

*Verkürzte und leicht veränderte Version eines Vortrages, gehalten in Xanten am 16.6.2000 im Rahmen des Kolloquiums „Römische Keramik – Herstellung und Handel“ (15.-17. Juni 2000). Xantener Berichte.

  1. Diese Begriffe werden in der ägyptischen bzw. vorderasiatischen Archäologie verwandt, sind aber beide technologisch unrichtig.
  2. Einen sehr guten Überblick zum Thema Quarzkeramik bieten Busz/Gercke 1999.
  3. Brandt 1999, S. 170-187.
  4. Nenna/Seif el-Din 1999, S. 76-83.
  5. Für die Unterstützung und Überlassung des Materials zur Veröffentlichung danke ich Prof. Dr. Th. Fischer (Universität zu Köln) und Prof. Dr. H. Hellenkemper (Römisch-Germanisches Museum Köln).
  6. Wissenschaftliche Grabungsleitung: Prof. Dr. Th. Fischer (Universität zu Köln). Technische Leitung: U. Karas (Römisch-Germanisches Museum Köln).
  7. Oschmann 1987, S. 517-519.
  8. Neueste Untersuchungen: Hanel 1998, S. 351-400.
  9. Kemkes/Scheuerbrand 1997, o. S.
  10. Abegg 1989, S. 214 und Taf. 18.
  11. Eine Ausnahme bildet eine Periode, in der eine Kette mit über 40 Perlen gefunden wurde.
  12. Viereck 1996, S. 237.