Steinzeugtöpferei im 17. Jahrhundert in Troisdorf-Altenrath, Rheinland

von Ursula Francke, Köln

Steinzeuggefäße aus Troisdorf-Altenrath, kobalt- und manganfarben bemalt (Zeichnung: Ursula Francke, Köln)

Steinzeuggefäße aus Troisdorf-Altenrath

Altenrath liegt östlich von Troisdorf und nordwestlich von Siegburg am Rande der Wahner Heide. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war das heute fast unbekannte Dorf das bedeutendste Kirchspiel der Region. Altenrath war bisher als Töpferort kobaltbemalter Barocksteinzeuggefäße des 17. Jahrhundert nahezu unbekannt. Durch die führende Stellung der Westerwälder Manufakturen mit ihren mehreren hundert Kannenbäckern geriet die Altenrather Steinzeugware, die nur von wenigen Töpfern hergestellt wurde, lange Zeit in Vergessenheit. Bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts vermutete der Siegburger Pfarrer J.B. Dornbusch1, daß durch die Zerstörung der Aulgasse im Jahre 1632 während des 30-jährigen Krieges Siegburger Töpfer in das nahe gelegene Altenrath zogen, aus dem gleichfalls gute Tonvorkommen bekannt waren. Als einen Hinweis dafür wertete er einen Briefwechsel zwischen dem Siegburger Abt Bertram von Bellinghausen und Wolfgang Wilhelm, Pfalzgraf und Herzog von Jülich, Cleve und Berg: Am 12. Mai 1636 forderte der Abt die ehemaligen Siegburger Bürger auf, wieder zurückzukehren, ihre zerstörten Häuser aufzubauen und ihre Abgaben zu leisten. Daraufhin drohte der Herzog von Berg, zu dessen Grundherrschaft Altenrath gehörte, am 6. April 1637 mit Strafaktionen, sofern der Abt die nach Altenrath gezogenen Töpfer nicht unbehelligt lasse. Durch die Erweiterung des Schießplatzes Wahner Heide und die dadurch bedingte Räumung des Dorfes Altenrath 1938 geriet das Wissen um das Töpfergewerbe wieder in Vergessenheit. Erst mit der Neuerschließung des Dorfes seit den achziger Jahren des 20. Jahrhunderts fanden sich bei Ausschachtungsarbeiten und Kanalisationsarbeiten Töpfereiabfälle in größeren Mengen. Eine Aufarbeitung der historischen Quellen und der keramischen Funde sollte neue Erkenntnisse über die Altenrather Steinzeugproduktion liefern.

Die neueren historischen Untersuchungen ergaben, daß erst nach 1636/37 nur wenige Siegburger Töpfer wegen der in Siegburg herrschenden Repressalien des Abtes und der strengen Zunftstatuten dort fortzogen, und nicht – wie ursprünglich angenommen – wegen der Zerstörung der Aulgasse im Jahre 16322. Otto Treptow belegte, daß 1632 die Aulgasse von den Schweden nicht so schwer zerstört wurde, da zahlreiche Töpfer wenig später wieder in Siegburg belegt sind. Aus Geschoßlisten von 1634 und 1635 geht hervor, daß die Familien Knütgen und Flach die Aulgasse nicht verlassen hatten, aber nur wenig Keramik hergestellt haben. Auch archäologisch sind aus dieser Zeit kaum Töpfereiabfälle, deren Menge ein indirekter Hinweis auf die produzierte Menge liefern, bekannt. In den Jahren 1642/43 wurde wieder anhand der Akziseeinnahmen eine größere Anzahl von Ofenbränden festgestellt. Erst zwischen 1643 und 1663 sind kaum Ofenbrände in Siegburg überliefert. 1646 scheinen nur noch sieben Töpfer gearbeitet zu haben. In einem 1646 datierten „Verzeichnis der Oelnerschuldigkeiten wegen der gepachteten erden ahm Weißenberg“ werden nur noch Dietrich Kneutgen der Junger, Johannes Kneutgen, Friedrich Flach, Henrich Knuetgen, Ohm Johan, Wilhelm Knuetgen und Johannes uff der Bach genannt. Mitte des 17. Jahrhunderts werden nur noch drei Betriebe angeführt.

Nach den archäologischen und historischen Quellen konnten in Altenrath bisher zwei Töpfereien lokalisiert werden, die sich etwa 250 bis 300 Meter voneinander entfernt befinden3. Sie liegen beide an der Flughafenstraße, der ehemals Alten Kölner Straße, die bis in das 20. Jahrhundert hinein eine wichtige Handelsstraße von Siegburg nach Köln war.

Einen Hinweis auf die Lage der Töpfereien bzw. Töpfereiabfälle geben einige Flurnamen in Altenrath. Die Namen „Scherfelberg (=Scherbenberg) in der taube“, im Norden von Altenrath gelegen, und „Uleschhüsje bzw. Eulenhaus“ (= Töpferhaus) im Süden, konnten die Örtlichkeit dieser Produktionsstätten genauer einschränken. In der Übersicht des Urkatasterplanes von 1823 ist die Bezeichnung „Im Eulenhaus“ eingetragen. Zahlreiche Scherbenfragmente, Ofenreste und Brennhilfen finden sich in der Umgebung dieser Töpfereien. Während Ausschachtungsarbeiten für Kanalanschlüsse konnten sogar unter der Flughafenstraße, der ehemaligen Kölner Straße, Scherbenpakete festgestellt werden, die im 17. Jahrhundert zur Ausbesserung der Straße bzw. als Drainageschicht dienten. Aus Quellen ist bekannt, dass die Straßen in einem sehr schlechten Zustand waren, und dass die Bevölkerung sie selber in Ordnung halten mussten.

Hinweise, welche Töpfer in Altenrath gearbeitet haben, liefern unter anderem die Geburts- und Sterbebücher der Altenrather Kirche, die kontinuierlich ab 1652 bis ins 20. Jahrhundert geführt wurden. Neuere Untersuchungen ergaben, daß in den Altenrather Kirchenbücher ab 1653 sowohl die Westerwälder Töpfernamen Thewes (= Matheis) Lutz, Conrady Lutz, Maria Lutz die kannenbecker in d taube, Pitter Lutz, und Leonard Mennicken als auch die Siegburger Töpfernamen Heinrich Knytgen, Johan, Wilhelm, Peter und Margritt Knytgen erwähnt werden. Die Auswertung dieser historischen Quellen zeigte, daß Siegburger Töpfer entgegen der ursprünglichen Annahme in Altenrath eine relativ unbedeutende Rolle gespielt haben. Dort wurde die Steinzeugproduktion von Westerwälder Töpfern beeinflusst, die gegen Ende der 30er Jahre in Altenrath einwanderten. Der älteste, historisch nachweisbare Westerwälder Töpfer ist der Höhrer Leonard Mennicken, der 1637 eine Tochter des Siegburger Töpfers Rutger Knütgen heiratete und wohl wenig später nach Altenrath zog, da er in Siegburg nicht mehr nachweisbar ist. 1632 ist er noch in Grenzhausen tätig und erst 1653 in den Altenrather Kirchenbüchern, die leider erst 1652 beginnen, als Taufpate nachgewiesen. 1654 ist er bereits verstorben. Vermutlich ist er verwandt mit Michel und Catharin in der taube, bei denen aus historischen Quellen nicht hervorgeht, ob sie auch Töpfer gewesen sind. Sie werden von 1657-1670 in den Altenrather Kirchenbüchern häufig erwähnt. 1653 erscheint ebenfalls in den Kirchenbüchern Thewes (= Matthias) Lutz. Ein Matthes Lutz wird 1640 bzw. 1642 noch in Höhr mit seiner Frau Anna genannt. Er wird wohl zwischen 1642 und 1653 nach Altenrath gezogen sein und in der Flur in der tauben gearbeitet haben. 1653 erscheint er mit seiner vermutlich zweiten Ehefrau Maria als Pate in Altenrath. Auch ist er durch seine Tochter mit der Siegburger Familie Knütgen verwandt. Angehörige von ihm sind ebenfalls in Altenrath als „kannenbecker“ erwähnt. Die Familie Lutz scheint bereits ab der Mitte des 17. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle gespielt zu haben. Im 19. Jahrhundert besaßen Nachfahren von ihnen noch viele Ländereien. Der einzige in Altenrath nachweisbare Siegburger Töpfername ist Knütgen. 1653 erscheint in den Altenrather Kirchenbücher Heinrich Knütgen. Er ist der Schwiegersohn von Thewes Lutz. Heinrich Knütgen und seine Frau Maria zogen wahrscheinlich 1651 von Siegburg nach Altenrath. 1651 wird ihm in Siegburg erlaubt, mit seiner Frau Maria nach Erbach (Westerwald), dem Heimatort seiner Frau, auszuwandern. Anscheinend sind sie aber zu ihrem Vater nach Altenrath gezogen. Weitere Angehörige der Familie Knütgen sind in den Altenrather Kirchenbüchern zwischen 1655 und 1678 als Paten oder Eltern erwähnt, werden aber nicht als Kannenbäcker bezeichnet. Aus den wenigen schriftlichen Quellen aus Altenrath ist bereits ersichtlich, dass die familiären Bindungen innerhalb der Töpferfamilien aus Siegburg, dem Westerwald und Raeren sehr eng gewesen sind. Es hat vermutlich auch ein Austausch Töpfereigesellen stattgefunden, die die Techniken der anderen Töpfereien erlernten. Es ist somit gar nicht erstaunlich, dass sehr schnell neue Muster und Techniken ausgetauscht wurden, und die Gefäße sich immer mehr ähnelten.

Alle bisher genannten Namen sind für den Töpferbereich „in der taube“ nachweisbar. Wer in der Flur „Uleschhüsje/Eulenhaus“ gelebt hat, ist nicht bekannt. Vielleicht haben dort die Kannenbäcker Conradt Lutz (1661-1689 nachweisbar) und Pitter Lutz (1667-1683 nachweisbar), die in den Altenrather Kirchenbüchern keinen Namenszusatz haben, dort gearbeitet

Nach den vorliegenden historischen Quellen beginnt die Altenrather Steinzeugproduktion vermutlich um 1635-40. Zwischen ca. 1635 bis 1683 lebten hier nachweislich fünf Töpfer. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts erlischt die Töpfereiproduktion in Altenrath. 1683 wird in den Altenrather Kirchenbüchern noch Petrus Lutz erwähnt, der wohl identisch ist mit Pitter kannenbecker. Conradt Lutz wird 1682 zuletzt in den Altenrather Kirchenbüchern als Pate genannt und 1689 in den Lohmarer Kirchenbüchern ein Conradus zu aldenrath in der dauben. Das Ende der Töpferei wird demnach zwischen 1682 und 1689 liegen. Einige Töpfer zogen dann vermutlich in den Westerwald oder andere Töpfereiorte. Ihre Spur ließ sich leider nicht weiter verfolgen. Die Abgeschiedenheit von großen Handelswegen, die ansonsten ärmliche Struktur des Heidedorfes und die steigende Produktivität der Westerwälder Töpferei führte vermutlich zu dem Niedergang der Altenrather Steinzeugproduktion.

Diese aus dem Westerwald eingewanderten Töpfer stellten etwa seit Ende der 30er/Beginn der 40er Jahre des 17. Jahrhunderts in Altenrath kobaltbemaltes und auflagenverziertes Steinzeug her, das von der Westerwälder und Raerener Produktion kaum zu unterscheiden ist. Es wurden Krüge Engehalskannen, Pullen, Humpen, verschiedene Becherformen bzw. Trichterbecher hergestellt. Vereinzelt treten Flaschen, Teller/Schüsseln, Töpfe oder Schreibsets auf. Die im Altenrather Scherbenmaterial am häufigsten vorkommenden Verzierungsmuster sind florale Muster wie Rosetten, Blumenbuketts, Tulpen, Lilien, Blattmuster, Weinranken, Eichelmotive und stark stilisierte florale Motive. In Verbindung mit diesen floralen Elementen treten oftmals herzförmige Motive auf. Seltener finden sich abstrakt-stilisierte Muster, Wellenlinien und kleine Buckelmuster, darstellende Motive wie Masken, Menschen, Tiere, Wappen, Jahreszahlen, Schiffe und Initialen. Besonders reich verziert sind Kannen mit Sternenmuster auf der Vorderseite, senkrechten Dreiecken und Maskenköpfchen auf der Schulter und Löwenmaske am Ausguss.

  1. J.B.Dornbusch, Die Kunstgilde der Töpfer in der abteilichen Stadt Siegburg und ihre Fabrikate. Köln 1873.
  2. O.Treptow, Der Siegburger Stadtbrand vom 1. August 1647 und die neuen Glocken der Kirche St. Servatius. Ereignisse in Siegburg 1632-1650. Heimatbl. Rhein-Sieg-Kreises 62, 1994, 7-57.
  3. U. Francke, Kannenbäcker in Altenrath. Frühneuzeitliche Steinzeugproduktion in Troisdorf-Altenrath. Siegburg 1999.