von G. Gerhards, Höhr-Grenzhausen
Das Bild zeigt eine Fotografie des Fotografen Alois Remy, Hausname: Männches Alwiss. Sein Atelier und Labor waren auf der Friedrichstraße. Außer dem Handel mit Kameras und Laborarbeiten wurde ein Ansichtskartenverlag unterhalten. Alle mit Eulerei zusammenhängenden Bilder sind in der Eulerei Karl Gerhards Nachfolger entstanden.
Das Foto entstand 1933. Spätestens 1934 und sollte es als Ansichtspostkarte verkauft werden. Ich war bei den Vorbereitungen und bei der Aufnahme selbst anwesend. Zu meiner großen Enttäuschung gab es von dieser Aufnahme niemals die versprochene Postkarte. Das Bild tauchte erstmals Ende der Siebziger Jahre in einer Ausgabe des Westerwaldkalenders wieder auf. Herr Remy hatte zu diesem Zeitpunkt aus Altersgründen sein Geschäft aufgegeben und das gesamte Inventar mit Plattenarchiv dem Fotografen Schefter geschenkt. Dieser muß die Platte entdeckt, deren Wert erkannt und sie vermarktet haben. Wir, die Inhaber der Bildrechte, haben nie einen Pfennig gesehen, wurden auch nicht um Erlaubnis zur Veröffentlichung gefragt.
Da heute kaum noch jemand in der Lage ist, das zu beschreiben, was auf dem Bild zu sehen ist, möchte ich den Versuch einer Beschreibung wagen, damit spätere Generationen sich ein ungefähres Bild von der Mühe und dem Aufwand machen können, der mit dem Einsetzen eines Kannenofens verbunden war.
Wie zu sehen, waren mindestens drei, meist jedoch vier Arbeiter notwendig, um einen Ofen zu setzen. Zwei Setzer, auf gut alt Höhrer Platt Enndehner genannt. Der rechts stehende Recker hatte die Aufgabe. immer das gerade benötigte Stück Ware anzulangen. Ein weiterer Helfer, der Träger, Triehner genannt, war ständig damit beschäftigt, die Rohware vom Lager in den Ofen zu bringen.
Schwach zu sehen sind links, unten und rechts neben den Laufbrettern die noch offenen Kehlen, durch die das Feuer aus den Gefällen in den Ofen geleitet wurde. Diese Konstruktion ist heute nur noch im Ofen der ehemaligen Eulerei Menningen, die jetzt im Besitz der Familie Böhmer ist, zu sehen. Man sollte sich bemühen, dieses Denkmal uralter Feuerungstechnik zu erhalten.
Die Kehlen wurden, bevor Ware darauf gesetzt werden konnte, mit Kellensteinen abgedeckt. Das waren Brennhilfsmittel, vor dem erstmaligen Brand Baareplätz genannt, die nach dem ersten Brand in Länge und Dimension passend, mehrmals zum Abdecken der Kehlen verwendet werden konnten. Die Abstände beim Verlegen richteten sich danach, wie die Hitzeverteilung im Ofen war. Im Bereich der den Feuerungen am nächsten war, mußten auch kleinste Ritzen mit Ton abgedichtet werden, wahrend mit fortschreitendem Besatz die Zwischenräume immer weiter werden konnten. Am Ofeneingang war dann der Abstand doppelte Fingerbreite. Auf den ganz links unten zu sehenden Lattenrosten wurde die gerade zum Einsetzen benötigte rohe Ware abgesetzt.
Zu sehen sind noch zwei mit Ausschnitten versehene runde Brennhilfsmittel, die zum Einsetzen von Standgefäßen, Ulpen genannt, benötigt wurden. Die Löcher waren erforderlich, damit Salzrauch für die Bildung der Glasur in das Gefäßinnere dringen konnte. Rechts neben den Laufbohlen, Dill genannt, stehen drei Hasenfutternäpfe. In der Mitte sind zwei Kisten, die den zum Sänden der mit der Hand gemachten Wänzel benötigten Sand enthalten. Gebraucht wurden Wänzel zum Ausgleich von Unebenheiten und als Unterlage für die auf dem Ofenboden gesetzten Töpfe. Die wurstähnlichen Stränge wurden vor dem Gebrauch mehrmals in die Sandkisten geschlagen und waren danach ausreichend mit Sand bedeckt. Links neben der vorderen Kiste ein Ring, der beim Setzen der in zwei Lagen übereinander stehenden Sauerkrautständer überzählig war.
Beim Vorbereiten der Unterlage für die auf den Ofenboden gesetzte Ware, hier zwei Liter Schmalztöpfe, saß man. Die dafür benutzten Stühle waren meist im Haushalt und auf der Werkstuff nicht mehr verwenbar. Die Beine sind gekürzt, damit der Ofenboden näher war. Gutes Sitzen war nicht wichtig. Nachdem eine Reihe einen Meter hoch war, konnte stehend weiter gesetzt werden.
Der Recker rechts im Bild hält in der linken Hand einen der gerade benötigten zwei Liter Töpfe, zusätzlich einen Hasennapf in der rechten Hand. Weil zu diesem Zeitpunkt keine Hasentröge eingesetzt wurden, vielleicht eine Regieanweisung des Fotografen, die auch in der Pose des rechten Setzers erkennbar wird, der beide Hände zum halten des Topfes benutzt, obwohl das mit einer Hand gemacht werden kann. Auch die redgemachte Weinkanne die mein Vater in der Hand hält, wird zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit nicht benötigt.
Bei der Arbeitskleidung fällt auf, daß der rechts stehende Recker kurz vor der Aufnahme an der Drehscheibe gearbeitet hat. Schuhe, Hose und Weste sind mit Loof, einem beim Drehen anfallenden Tonbrei, überzogen. Mein Vater, links im Bild, trägt einen weißen Kittel. Eine Arbeitskleidung, die von seinem Vater, also meinem Großvater übernommen wurde. Sie könnte nach dem Besuch der Fachschule, zu deren ersten Studenten er gehörte, als praktisch erkannt und beibehalten worden sein. Er war sicher der einzige Euler im Dorf, der so gekleidet arbeitete.
In der fertig gesetzten Reihe Ware sind auf die Bodenlage 20 Liter fassende Sauerkrautständer gesetzt. Da es sich um die unter dem ganz oben zu sehenden Ärmchen gesetzte Reihe handelt, mußte unter diesem wegen dem eingeschränkten Platz im Umfang dünnere Ware gesetzt werden. Hier sind es geblaute dickbauchige Weinkrüge. Wegen der höhenversetzten Setztechnik eine in der Standsicherheit beim Brand höchst unsichere, aber einzig praktikable Technik. Als Abdeckung gegen einfallendes Salz sind zwei 1/2 Liter Bierkrüge zu sehen. Die links außen, mit den Öffnungen gegeneinander gesetzten Krüge konnten nur dann genügend Salz für die Innenglasur abbekommen, wenn sie unter einem Salzloch standen. Ansonsten wurden sie innen rot und damit unbrauchbar. Wichtig war, daß zwischen der Ofenkappe und der Ware für eine flache Hand Platz war. Dies deshalb, weil die Rohware wächst, und erst beim Erreichen höherer Temperaturen sinterte, also kleiner wurde. Weil ein Ofen nach hinten Gefälle hatte, mußte jede Reihe mit Neigung nach vorn stehen. In der Fachsprache „Vöhh sich stiehn“. Wer hierfür kein Augenmaß hatte, kontrollierte mit dem Senkel. Das war ein zwei Meter langes Stück Kordel mit einen Klumpen Ton am Ende. Eine Reihe stand richtig, wenn oben angehalten, das Stück Ton am Ende eine Handbreit Abstand von der Ware hatte. Diese Kontrolle war nur bei den ersten Reihen notwendig. Wenn diese richtig standen, hatte der Senkel für den Rest des Einsetzens ausgedient. Zweieinhalb bis drei volle Tage dauerte es, bis ein Kannenofen voll war. Nach dem Setzen des Schell’s wurde das Feuer sofort entzündet.
Der Querarm unter der Ofendecke sollte beim Brennen weichende Warenreihen auffangen und somit verhindern, daß der gesamte Ofeninhalt nach hinten umfiel. Folge, Totalausfall eines ganzen Gebäck’s! Von diesen Sicherungen waren in jedem Kannenofen drei Stück eingebaut. Lieferant der Bogen war die Firma Steuler, die eine hochfeuerfeste Masse zu deren Herstellung verwendete. Auch nach einigen hundert Bränden war von Verschleiß nichts zu sehen. Wie im Bild ganz oben zu sehen, waren diese Bogen in der Mitte geteilt. Stabil wurde die Konstruktion durch den etwa einen halben Meter tiefen Einbau rechts und links in die Äußere Bruchsteinwand des Ofens. Wegen dem Gewicht von über 100 Kilogramm pro Stück mußten beim Einbau sechs bis acht Maurer und Helfer anwesend sein, die teilweise auf einer Seite den lose eingesetzten Arm stützten, während der andere Teil der Mannschaft die zweite Hälfte auf der gegenüberliegenden Seite einpaßte und vermauerte. Die Konstruktion war dauerhaft und solide. Ich habe nie erlebt, daß sich ein Arm während des Brandes löste. Der zwischen der Ofendecke und dem Arm verbleibende Raum ist hier mit Garmaschinen gefüllt. Dies waren Wasservorlagen die wahrend des Gärvorgangs auf das Weinfaß gesetzt wurden um ein Eindringen von Luft zu verhindern. Kleinere Weingüter verwenden diese Apparate heute noch, weil, wie mir ein selbstvermarktender Winzer vor wenigen Jahren erklärte, dies noch immer der beste und sicherste Verschluß für seinen Wein sei.
Die Zwischenräume, die durch den Einbau der Ärmchen entstanden, wurden „Gefache“ genannt. Beim Einbau von drei dieser Arme entstanden vier „Gefächer“. Sie wurden somit Zähleinheiten im Ofen. Man hatte also ein, zwei, drei oder vier Gefächer ein- oder ausgesetzt. Eine Besonderheit in diesem System war, daß das dem Ofeneingang folgende Gefach beim Einsetzen „das letzte Gefach“, beim Aussetzen aber das „erste Gefach“ war.
Hinter dem Arm sind 20 Liter fassende Schüsseln eingesetzt. Verwendet wurden sie z. B. bei Hausschlachtungen zum Pökeln von Fleisch . Links neben der letzten Gärmaschine ist die Spitze eines Seeger Kegels zu sehen. Hiervon wurden immer zwei Stück an vier verschiedenen Stellen auf beiden Seiten des Ofens so gesetzt, daß man sie während des Brandes sehen konnte. Die Kegel hatten einen um 20 Grad verschiedenen Schmelzpunkt, bei dessen Erreichen sie umfielen. Als zusätzliche Kontrolle, ob der Ofen gesalzen wenden konnte, lagen neben den Kegeln immer einige Korscherben. Das waren aus lederharter Ware geschnittene etwa 10 x 10 cm große, mit einem Loch versehene Scherben. Diese, neben den Seegerkegeln zusätzliche Kontrolle, war insofern sinnvoll, weil die Zusammensetzung der Masse unterschiedlich sein konnte. War überwiegend magerer Ton verarbeitet worden, konnte die Ware auch dann noch nicht ausgebacken sein, wenn alle Kegel gefallen waren. Andererseits war es möglich, daß der Ofen bei Verwendung von fettem Ton ausgebacken, war auch wenn alle Kegel noch standen. Korscherben waren eine Möglichkeit sicher festzustellen, ob die Ware ausgebacken war, oder noch nicht.
Die Probe begann, indem man eine Schaufel Salz auf einen Scherben warf. Auflegen nannte man das. Nachfolgend wurde aufgestocht. War die „Völl“ abgebrannt, zog man mit einem Eisenhaken den Scherben aus dem Ofen. Der weiß glühende Scherben gegann beim Abkühlen zu knistern. Allein am Klang des Knisterns erkannte der Euler ob ein Ofen gebacken war. Eine weitere Prüfmöglichkeit war der Zustand des Scherbens. Waren an den Bruchrändern braune Streifen sichtbar, war dies ein Zeichen dafür, daß der Ofen noch nicht ausgebacken war.
Waren die ersten Kegel gefallen, konnte aufgestocht werden. Der letzte Arbeitsgang vor dem Salzen war damit erreicht. Alle Salzlöcher waren ganz offen. Zwei bis drei mal wurde jetzt aufgestocht, also die Stochlöcher restlos gefüllt, dann waren meist alle Kegel gefallen und es konnte gesalzen werden. Daß dieser Vorgang viel Fingerspitzengefühl erforderte, davon kann jeder Stocher ein Lied singen. Zwei bis drei Klafterscheiter zu viel und der Ofen war überstocht. Unverbrannter Kohlenstoff setzte sich in den Gefällen fest und machte die Feuerwege dicht. Die Flammen schlugen dann aus dem Stochloch zurück. Es hieß abwarten bis die Rußschicht abgebrannt war. Erst dann konnte weiter gemacht werden. Oft dauerte es Stunden bis es so weit war. In dieser Zeit verlor der Ofen auch erheblich Temperatur, die langsam und vorsichtig aufgeholt werden mußte. Statt nachts um ein oder zwei Uhr Salzen zu können, konnte sich der Brennvorgang im ungünstigsten Fall bis zum Mittag verzögern.