von Martina Bundszus, Plauen
Einführung
Die Kenntnis um die Keramik weist insbesondere für Bayern noch große Lücken auf. Zu den wenigen Gebieten, welche hier günstige Voraussetzungen für die Forschung bieten, gehört Regensburg. Zum einen zählt die Stadt zu den nicht gerade zahlreichen Orten, wo der aus Schriftquellen bekannte Baubeginn historischer Bauten einen festen “terminus ante quem” bzw. “post quem” für die Keramikchronologie ermöglicht. In diesem Falle handelt es sich um die von Herzog Arnulf um 920 errichtete Stadtmauer. Der Fundort Regensburg/Stadtmauer-Südostecke wurde 1973 von Hermann Dannheimer in der ersten Monographie über hoch- und spätmittelalterliche Keramik in Bayern publiziert1.
Zum anderen besitzt die Stadt eine gute historische Überlieferung zu den mittelalterlich-frühneuzeitlichen Töpfereien. Aus Schriftquellen bekannt sind Hafner am Steinweg, in Reinhausen (beides nördlich der Donau gelegene Töpfereibezirke) sowie v.a. in Prebrunn (am Donau-Südufer). Auf diese Überlieferung konnte sich schon Gerhard Pletzer in seiner 1974 abgeschlossenen Dissertation stützen2. Allerdings war Pletzer eine feinere Einteilung der einzelnen Waren noch nicht möglich, da weder Werkstattfunde noch naturwissenschaftliche Untersuchungen vorlagen.
Schließlich stehen seit 1981 mit der Publikation über die Forschungen im Töpfervorort Prebrunn von Werner Endres und Veit Loers erstmals Regensburger Werkstattfunde zur Verfügung3. Diese Arbeit ist zudem eine der wenigen Werkstattuntersuchungen in Bayern überhaupt. Wichtig für das hier vorgestellte Material ist die Prebrunn-Fundstelle 1, eine Töpfereiabfallgrube. Das Fundmaterial wurde von den Bearbeitern in die Zeit zwischen 1390 und ca. 1400 gesetzt.
Bedauerlicherweise besteht zwischen den beiden wichtigen Fundkomplexen Stadtmauer-Südostecke und Prebrunn I eine zeitliche Lücke von rund 100 Jahren: Die jüngsten Stadtmauerfunde entstammen der Zeit um 1300.
Ein weitere Schwierigkeit für die Regensburger Keramikforschung stellen die beiden historisch zwar bekannten, archäologisch aber noch nicht erfassten Hafnereiproduktionen am ‘Steinweg’ und in ‘Reinhausen’ dar.
Lösungsansätze für diese Problemstellungen liefert das Fundmaterial einer spätmittelalterlichen Latrine, welches bei einer infolge von Baumaßnahmen auf dem Gelände des Evangelischen Krankenhauses nötig gewordenen archäologischen Untersuchung im Spätsommer 1991 zutage trat4.
Historischer Hintergrund
Regensburg an einem seichten Donauübergang gelegen, zählt zu den ältesten Städten in Deutschland. Hervorgegangen aus einem römischen Kastell, war es im Frühmittelalter als Sitz des bayrischen Herzogs erste Hauptstadt Bayerns. Der Aufstieg zur bedeutenden Handelsmetropole (Fernhandel bis Byzanz, Venedig und Kiew) ließ Regensburg zur wohlhabendsten und bevölkerungsreichsten Stadt Süddeutschlands werden, nicht zuletzt durch die Steinerne Brücke, damals einziger Donau-Brückenübergang zwischen Ulm und Wien. 1245 erlangte die Stadt schließlich die Reichsfreiheit. Im 14. Jh. setzte der politische und wirtschaftliche Niedergang ein: Regensburg geriet in derartige Finanznöte, dass es schließlich 1486 freiwillig auf seinen Status als freie Reichsstadt verzichtete und sich dem bayerischen Herzog unterwarf. In der Folge leitete der Wittelsbacher zwar unverzüglich Maßnahmen zur wirtschaftlichen Sanierung ein, wurde aber vom Kaiser, welcher keinesfalls auf seine Reichsstadt verzichten wollte, zur Rückgabe gezwungen. In die Zeit der beginnenden Rezession und des allmählichen wirtschaftlichen Niedergangs von Regensburg gehört die hier vorzustellende Latrine mit ihren Funden.
Ausgrabung und Befund
Im Spätsommer 1991 führte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, Abt. Bodendenkmalpflege, Außenstelle Oberpfalz infolge von Baumaßnahmen auf dem Gelände des Evangelischen Krankenhauses eine mehrmonatige archäologische Notgrabung durch5. Das untersuchte Areal liegt innerhalb der um 920 durch Herzog Arnulf angelegten Stadterweiterung. Historische Bildquellen überliefern hier eine dichte mittelalterliche Bebauung.
Vor Grabungsbeginn hatten die Bagger schon den oberen, in seiner Stärke nicht mehr zu rekonstruierenden Teil der Grabungsfläche abgetragen. Darüber liegende Schichten waren, vermutlich schon im 19. Jh., bei den Fundamentierungen des alten Krankenhaustraktes beseitigt worden. In der Baugrube zeichneten sich neben römischen, verschiedene mittelalterliche Befunde ab, u.a. fünf quadratische Latrinen, darunter auch Objekt 86. Das hier vorgestellte Objekt 8 trat als dreiphasige Anlage zutage:
1. Phase (Schicht 4, 5 u. 6): Wahrscheinlich im späten 13. oder frühen 14.Jh. wurde eine 2 x 2 m große Abortanlage eingerichtet, die mit Holz eingefasst war. Sie wurde möglicherweise dreimal entleert, wobei jeweils ein Rest der alten Füllung in der Grube zurückblieb.
2. Phase (Schicht 8, 9 u. 10): In der zweiten Hälfte des 14. Jhs. wird an derselben Stelle, aber auf leicht verkleinertem Grundriss, eine neue Versitzgrube ausgehoben. Während sich die Südgrenze weitgehend mit jener der älteren Phase deckt, rückt die Nordgrenze geringfügig nach Süden ein. Anscheinend wurde die Latrine in dieser zweiten Phase zweimal entleert. Die jüngsten Funde aus dem Schichtpaket weisen in das späte 14. oder frühe 15. Jh.
3. Phase (Schicht 11): Um die Wende zum 15. Jh. wird auf deutlich verkleinerter Grundfläche, allerdings unter Beibehaltung der Südgrenze, eine neue holzverschalte Latrine errichtet.
Leider hatte die Anlage die Zeiten nicht vollständig überdauert. Das Oberteil fehlt. So lässt sich die Gesamttiefe der Anlage nicht mehr genau bestimmen. Vergleiche mit anderen Regensburger Latrinen legen aber nahe, dass Objekt 8 ursprünglich rund zwei Meter höher war.
Das keramische Fundmaterial
Wie allgemein üblich machte Keramik die Masse des Fundgutes aus. Dankenswerterweise hatte Herbert Hagen vom Institut für Paläontologie und Historische Geologie der Universität München an 39 Proben des Scherbenmaterials von Objekt acht Dünnschliffuntersuchungen durchgeführt. Diese Ergebnisse bildeten die Grundlage für eine differenzierte Einteilung der Warenarten und Überlegungen zu bisher archäologisch nicht erfassten Herstellern. Folgende Warengruppen konnten unterschieden werden:
Römische und hochmittelalterliche Waren (Terra Sigillata und sog. ’Goldglimmerware’) traten nur in verschwindend geringem Anteil auf. Bei ihnen ist von sekundär verlagerten Altstücken auszugehen.
Die Prebrunner Produkte nehmen den Hauptanteil des keramischen Fundgutes ein. Dieses quantitative Übergewicht spiegelt die besondere Stellung der Prebrunner Hafner unter den Regensburger Töpfern wider. Grundlage hierfür war das Prebrunner Monopol auf die helle Irdenware bzw. auf den weißbrennenden Ton. Der Rohstoff, ein qualitätsvoller, nur an wenigen Stellen zu gewinnender Ton, wurde vom sogenannten Degelberg bezogen, welcher mit dem zugehörigen Gut Königswiesen seit 1226 dem Kloster Prüfening unterstand.
Der Produktionsbeginn lag in Prebrunn schon längere Zeit vor 1290. Ein aus diesem Jahr vorliegender Vertrag zwischen dem Kloster und den Prebrunnern über die Tonausbeutung erwähnt eingangs, dass die Töpfer ‘seit alters her’ gegen Zins ihren Ton aus den Tonlagerstätten des Gutes Königswiesen verwendeten; zum anderen sichert der Prüfeninger Abt hierin den Töpfern zu, dass sie gegen Bezahlung der einzelnen Fuhren sowie jährlichen Zins zu ewigen Zeiten Ton aus den Degelberger Gruben erhalten würden. Die Blüte der Prebrunner Produktion lag im 14. Jh. und endete mit der ersten Zerstörung des Ortes 1388 im Bayerischen Städtekrieg. Doch schon bald darauf, 1390, begann der Aufbau und die Neuproduktion. Das weitgehende Ende der Hafnerei brachte dann der Dreißigjährige Krieg, als der Ort 1633 beim Anrücken der Schweden aus strategischen Gründen von bayerischen Truppen niedergebrannt wurde. Zu einer dauerhaften Neuansiedlung von Töpfern kam es in der Folge nicht mehr.
Zurück zu der Latrine: Die von Werner Endres anhand Prebrunner Materials gemachten Materialbeobachtungen gelten auch für die Funde aus Objekt 87:
Die oxidierend gebrannte Prebrunner Ware Variante A mit weich bis mittelhart gebranntem weißen Scherben (3-4 Mohs) weist nur wenige, überwiegend feine Magerungspartikel auf und besitzt eine glatte, sich fett anfühlende Oberfläche.
Die mittel bis hart oxidierend gebrannte Prebrunner Ware Variante B ist wesentlich stärker gemagert als die Variante A und enthält mittlere bis große Magerungspartikel, die überwiegend aus Quarzsand, vereinzelt auch Feldspat und feinen Glimmerpartikeln, Ziegelgrus bzw. eisenhaltigen Konkretionen bestehen. Die Scherbenoberfläche ist glatt bis körnig.
In nur verschwindend geringer Menge ist die oxidierend gebrannte glasierte Ware vertreten. Sie stimmt im Scherben und Materialbeschaffenheit mit der Keramik von den Prebrunner Fundstellen überein. Als Glasurfarbe tritt Grün auf.
Die Dünnschliff-Untersuchungen ermöglichten auch Nachweis einer reduzierend gebrannten Prebrunner Keramik. Mineralogisch besteht kein Unterschied zur Ware Prebrunn “hell” B. Deswegen wurde mit aller Vorsicht für sie die Bezeichnung Ware Prebrunner Machart “dunkel” gewählt. Hinweise auf eine bewusst reduzierend gebrannte Prebrunner Keramik gibt die Töpferordnung von 1509: “Die Meister mögen auch grab`s Hafnerwerk in das Mass gemacht in ihren Häusern bei Groß und Klein wohlfeilhalten (,) einzeln oder zusammen verkaufen, oder kein graber boden soll (weder) in einem Laden der Stadt noch zu Markte verkauft werden”8. Unklar ist, was „grab`s Hafnerwerk“ bezeichnet. Eine einfacher hergestellte Ware oder um Ausschuss? Vermutlich um Letzteres. Aber was ist im Spätmittelalter Ausschuss? Wenn das angestrebte Maß nicht stimmte, die Gefäße beim Brand verzogen waren, Oberflächenpartien abplatzten oder wenn nur die gewünschte Farbe nicht erreicht wurde?
Das Markenzeichen der Prebrunner Werkstätten war auf jeden Fall ein weißlich gebrannter Scherben. So liegt es im Bereich des Möglichen, dass die dunkle Prebrunner Ware als “grab Zeugs” gehandelt wurde. Die eingeschränkten Verkaufsmöglichkeiten (nur Werksverkauf) belegen den Status als zweite Wahl.
Neben den erwähnten Prebrunner Töpfereierzeugnissen wurden in der Latrine auch Keramiken ‘nicht-Prebrunner Herkunft’ fassbar: Es handelt sich um unglasiertes Material, dessen keramische Grundmasse aus nachkreidezeitlichen Tonen besteht (im Gegensatz zum kreidezeitlicher Ton der Prebrunner Waren). Die auftretende Vermengung von alpinen Gemengeteilchen mit Feldspat sowie selten auftretenden Karbonatkomponenten spricht für Löß. Die Herkunft konnte jedoch im einzelnen nicht definitiv lokalisiert werden, da die geologischen Verhältnisse im Regensburger Raum sehr ähnlich sind: Löß steht bei Dechbetten-Königswiesen, Reinweg und am Steinweg an. Hilfestellung bei der genaueren Zuweisung geben die historischen Schriftquellen, die für Regensburg neben Prebrunn zwei weitere Töpferbezirke überliefern: am Steinweg und in Reinhausen9. Da die Prebrunner das Monopol auf den qualitätsvollen Ton von Königswiesen besaßen, ist es naheliegend, dass die anderen Töpfer auf die Lagerstätten in ihrer nächsten Umgebung zurückgriffen. Lößlehm steht nun tatsächlich im Bereich Steinweg und Reinhausen an, der auch zum Töpfern verwendet wurde. Noch 1936 wusste man von Tongruben in diesem Gebiet (leider existieren hier keine Materialproben). So spricht vieles dafür die in Objekt 8 vorhandene “Nicht-Prebrunner Ware” mit den Produktionsorten Steinweg und Reinhausen zu identifizieren. Bei zwei Töpferzentren wäre eine mögliche Differenzierung der Keramik zu erwarten, doch dies ist auf mineralogischem Wege nicht möglich, da beide Tonlagerstätten geologisch zu ähnlich sind. Für eine weitere Unterteilung wäre ein eindeutig zuweisbarer Werkstattbruch erforderlich, der bis jetzt aber noch nicht vorliegt.
Dennoch lässt sich auf optischem Wege eine weitere Unterteilung in eine gröbere und eine feinere Variante vornehmen:
Kennzeichen der Gröberen Variante sind ein hart gebrannter (4 Mohs) graubrauner, grauer bis schwarzer Scherben. Die Oberfläche ist rauh, wirkt aber sehr kompakt. Magerungsbestandteile sind mittel bis grob und nur im Einzelfall an der Oberfläche sichtbar.
Die Feinere Variante besitzt dagegen einen nur mäßig hart gebrannten (3 Mohs) schwarzgrauen, dunkelgrauen bis zu hellbraunen Scherben mit feinsandiger, fast samtartiger Oberfläche.
Ohne an dieser Stelle auf die Randformen näher einzugehen, sei aber darauf hingewiesen, dass in Objekt 8 eine Schwerpunktverlagerung von schmalen Kragenrändern zu breiten und letztendlich zu den karniesartigen Kragenrändern zu beobachten ist, ferner das Aufkommen neuer Randformen wie dem Kremprand und dem Dreiecksrand. Des weiteren ließ sich am Fundmaterial die unterschiedliche Herstellung von Kragenrändern beobachten: Kragenränder waren sowohl durch das Umschlagen der Gefäßwandung (echter Kragenrand) entstanden als auch durch Ziehen und Quetschen aus der Wandungsmasse heraus (Quetschkragenrand). Diese Beobachtung zweier, optisch zum gleichen Ziel führender Herstellungsvarianten wird bestätigt durch die von den Gebrüdern Groschopf in den Dreißiger Jahren des 20. Jhs. vorgenommenen volkskundlichen Untersuchungen schwäbischer Landtöpfereien10.
Gefäßformen
Neben Töpfen, Deckeln, Kannen, Flaschen, Becher- und Schüsselkacheln gehören auch seltenere Gefäßformen wie eine nahezu vollständige ovale Glutschale, eine Doppelscheuer mit Stempeldekor und ein Scherzgefäß mit dreieckiger Mündung zum keramischen Fundspektrum von Objekt 8. Deutlich zeichnete sich in der Latrine die Entwicklung der Gefäßtypen von zunächst gedrungenen zu hohen gestreckten Topf- und Bügelkannenformen ab. In zunehmendem Maße treten Flaschen, Gefäße mit dreieckigen Mündungen und Henkeltöpfe auf. Dagegen verschwinden die Glutschalen. Im obersten Latrinenbereich tauchen unvermittelt ein sehr breiter Bügelkannenrand, eine rot bemalte Scherbe sowie einige karniesartige Kragen- und Dreiecksränder auf. Mit diesen Formen schließt Objekt 8 an die Fundstelle Prebrunn I an, in der die genannten Formen bereits dominieren, und die von den Bearbeitern an das Ende des 14. Jhs. bzw. in die Zeit um 1400 gesetzt wird.
Spannend auch ist die Frage, ob sich an dem keramischen Fundmaterial Normmaße ablesen lassen. Dass es solche auch in Regensburg gegeben haben muss, belegt die Töpferordnung von 1436. Sie schreibt für alle Töpfer verbindlich das “maz” vor. Dies ist als Volumenangabe zu verstehen und wurde offenbar nach alter Gewohnheit verwendet. Überwacht wurde das Raummaß von zwei, jährlich in Regensburg gewählten Schaumeistern. Falls das Volumen zu groß oder klein ausfiel, hatte der betreffende Töpfer insgesamt 26 Pfennige in die Zunftkasse zu zahlen. Das Maß war “über dye siben hefen” gesetzt. Das bedeutet, es müssen sieben standardisierte Hohlmaße für Keramik vorhanden sein. In Regensburg ist als Maßeinheit der “Kopf” überliefert. Wilhelm Schmidt zufolge diente als Grundlage für dieses mittelalterliche Hohlmaß noch das römische System (sextarius mit 0,547 Litern)11. Doch die genaue Maßangabe bleibt unbekannt. Möglicherweise wurde dieses Hohlmaß von Zeit zu Zeit neu festgesetzt, wie dies für Passau belegt ist. Ungeklärt ist außerdem, worauf sich dieses Hohlmaß bezog: auf die maximale Füllmenge bis zum Gefäßrand oder auf eine ideale Füllmenge bis zum Hals?
Von den Gefäßen aus Objekt 8 eigneten sich 39 für eine Volumenmessung. Hierzu wurden zur Stabilisierung die aus Scherben zusammengesetzten Gefäße mit Klebeband umwickelt und ihr Innenraum mit einem wasserdichten Folienbeutel ausgekleidet. Dann wurde Wasser hinein gefüllt, wieder vorsichtig in einen Messbehälter ausgegossen und das Volumenmaß abgelesen.
Dabei ist aber zu bedenken, dass die Gefäße über einen Zeitraum von rund 100 Jahren streuen und sich in dieser Zeit die Normmaße geändert haben könnten. Dies erklärt evt. die breite Streuung der Volumina. Dennoch zeichnen sich einige Schwerpunkte ab: Legt man die Füllmarken der Halszone der Gefäße zugrunde, so tritt eine Häufung bei 0,6 Liter, bei 0.75/0,85 Liter, bei 1,0 Liter/1,1 Liter, bzw. bei 1,2/1,3 Liter und bei 1,6 Liter auf. So würden tatsächlich den von Schmidt postulierten Grundmaßen entsprechen:
1 Regensburger Kopf = ~ 0,6 Liter
2 Regensburger Kopf = ~ entweder 1,0/1,1 Liter oder 1,2/1,3 Liter
3 Regensburger Kopf = ~ 1,6 Liter
Die Maße dazwischen mögen als ungerade Werte zu interpretieren sein: So entspräche 0,75/0,85 Liter 1,x Regensburger Kopf.
Eine Änderung der Volumina über die Schichten und Niveaus von Objekt 8 war nicht festzumachen. Zumindest lassen sich aber die genannten Tendenzen erkennen, die natürlich an weiterem Fundmaterial erhärtet werden müssen.
Nichtkeramische Funde
Nur ganz kurz sei noch auf die nichtkeramischen Funde eingegangen: Hierzu zählen neben einem Speckstein-Spinnwirtel, wenigen Rosenkranzperlen-Abfällen, vor allem die Glasfragmente.
Erfreulicherweise erhielt sich nicht nur gläserne Massenware. Herausragend sind die Fragmente zweier emailbemalter Becher. Daneben kamen Schlaufenfadenbecher, Rippenbecher, Nuppenbecher, Krautstrunk, Kuttrolf, Flasche mit blauer Fadenauflage, farblose Flasche sowie gestauchte grüne Flaschen vor. Die verschiedenen Gefäßtypen lassen sich weitestgehend dem 14. Jh. zuweisen.
Zur Frage nach den historischen Besitzern
Leider konnte Objekt 8 nur bedingt einem bestimmten Grundstück zugewiesen werden. Ein Parallelisieren des Grabungsplanes mit dem Katasterplan von 1812 lässt erkennen, dass sich Objekt 8 am Rande des am Emmeransplatzes gelegenen Grundstückes C 137a befand12. Noch nicht geklärt ist die Frage, ob es sich dabei um eine mittelalterliche oder um eine erst in der Neuzeit entstandene Parzelle handelt. Ein Häuserbuch liegt für Regensburg bislang nicht vor. Doch auch wenn der historische Eigentümer (noch) nicht zu ermitteln war, ist zu vermuten, dass er zum Umfeld des Klosters St. Emmeran gehörte. Das Inventar der Latrine, hier v.a. das Glas weist auf eine gehobene soziale Stellung hin. Dem entspricht auch die Lage an einem öffentlichen Platz vor dem bedeutenden Kloster St. Emmeran.
Zusammenfassung
Das Fundgut der hier vorgestellten Latrine hilft die chronologische Lücke zwischen den beiden bedeutenden Regensburger Fundstellen Stadtmauer-Südostecke und Prebrunn I zu schließen. Es bleibt zu hoffen, dass es im Rahmen zukünftiger Stadtkernforschung in Regensburg gelingen möge, die Werkstätten der aus den Schriftquellen bekannten Töpfereien am Steinweg und in Reinhausen zu erfassen und damit die Produkte beider Hafnereibezirke voneinander zu differenzieren.
Weiterführende Literatur:
Martina Bundszus, Eine spätmittelalterliche Latrine (Objekt 8) auf dem Gelände des evangelischen Krankenhauses zu Regensburg. Magisterarbeit Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 1994.
Martina Bundszus, Eine spätmittelalterliche “Schîssgruob”. Die Grabung auf dem Gelände des Evangelischen Krankenhauses. In: Denkmalpflege in Regensburg 5/1994. Regensburg 1997, S. 56-63.
Hermann Dannheimer, Keramik des Mittelalters aus Bayern. Beiträge zur Volkstumsforschung 21. Kallmünz 1973.
Paul Donbauer u. Werner Endres, Die Baugrube am Evangelischen Krankenhaus. In: Silvia Codreanu-Windauer u. Udo Osterhaus (Hgg.), Auf Spurensuche. Archäologische und baugeschichtliche Forschungen in der Oberpfalz. Regensburg 1992, S. 61-65.
Werner Endres u. Veit Loers, Die spätmittelalterliche Keramik aus Regensburg. Regensburg 1981.
Gebrüder Groschopf, Bericht von der 2. Fahrt zu den schwäbischen Bauerntöpfern. Ungedr. Manuskript, (o.J. ca. 1935).
Hanns Hierstorfer (Bearb.), Abschrift mehrerer Zunft- u. Gwerbeordnungen II. Hafnerordung von 1509. In: Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und von Regensburg 8, 1844, S. 160-170.
Gerhard Pletzer, Die mittelalterliche Keramik von Regensburg. Dissertation Ludwig-Maximilian-Universität München 1974. Documenta naturae 58. München 1990.
Wilhelm M. Schmidt, Alt-Passauer Maß. In: Niederbayerische Monatsschrift. Zeitschrift für Kultur und Kunstgeschichte, Landes- und Volkskunde Niederbayerns und angrenzender Bezirke unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen und Verkehrsfragen 5 (Passau 1916) S. 94-96.
- Dannheimer 1973.
- Pletzer 1990.
- Endres/Loers 1981.
- Die Auswertung des Komplexes erfolgte im Rahmen einer an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg von der Verfasserin abgeschlossenen Magisterarbeit (Bundszus 1994). – Auszüge hieraus erschienen als knapper Kurzbericht (Bundszus 1997, 56-63).
- Donaubauer/Endres 1992, 61-65.
- Übersichtsplan mit Kennzeichnung von Objekt 8 siehe: Bundszus 1997, 57 Abb. 2.
- Die nur bei Steinzeugimitationen vorkommende Variante ‘Prebrunn C’ (Endres/Loers 1981, 56) war in Objekt 8 nicht vertreten.
- Hierstorffer 1844, 166.
- Hier v.a. zu nennen die zwischen 1486 und 1492 entstandene Bittschrift der Steigerweger und Reinhausener Hafner an den Herzog von Bayern, in welcher sie sich über die ihnen auferlegten Produktionsbeschränkungen beschweren (Endres/Loers 1990, 19). Das Originaldokument befindet sich heute im Stadtarchiv Regensburg, Akt Hafnerhandwerk, Politica II, 64/65.
- Groschopf um 1935 .
- Schmidt 1916, 94-96.
- Zur Umzeichnung des Grabungsgeländes auf den Katasterplan von 1812 siehe: Bundszus 1997, 58, Abb. 3.