Das nach vorne ausschwingende Bildfeld der grün glasierten Gesimskachel ist mit einem geflügelten Puttenkopf besetzt. Der pausbäckige Kopf mit welligem Haar ist von gefiederten Schwingen gerahmt. Die Innenkante der Kachel ist von einer halbkreisförmigen Girlande eingefaßt. In der Mitte geben die lanzettförmigen Lorbeerblätter den Blick auf eine querovale, mit Punktbuckeln besetzte Fläche frei. Bei dieser dürfte es sich um eine ornamentale Interpretation eines Fruchtstandes handeln. Die Girlanden hängen an Ringen, die auf Kopfhöhe des Putto angebracht wurden. Von diesem gehen senkrechte, quastenbesetzte Kordeln ab. Sie rahmen als leicht gewellte Linien das Bildfeld an beiden Seiten.
Puttenkopfbesetzte Gesims- und Blattkacheln finden sich in zahlreichen Variationen vorrangig in den von der Gegenreformation bestimmten Gegenden Süddeutschlands. Farbig glasierte Leistenkacheln mit Puttenköpfen aus dem Ende des 16. Jahrhunderts in Südtirol und Nürnberg bilden eine Variante der südwestdeutschen Gruppe. Das Bildfeld ist von einer zweibahnigen Girlande bestimmt, über dem der stark verkleinerte Puttenkopf eher als schmückendes Beiwerk wirkt. Zwischen der Girlanden hängen an mehrfach unterbrochenen Stäben knopfbesetzte Medaillons. Ihre dem Renaissancedekor entlehnte Gestaltung weist die Stücke als Vorgänger der südwestdeutschen Gesimskacheln aus. Entsprechende Motive aus Alzey, Eschelbronn, Karlsruhe, Meßkirch, Stuttgart, Villingen, Weißenburg im Elsaß und Wiesbaden zeigen, daß der Bildkomposition dabei ganz unterschiedliche Qualitätsanforderungen zu Grunde gelegt wurden. Das Relief auf der Gesimskachel aus Ettlingen darf der Gruppe als gelungene Lösung dieser Bildaufgabe angesehen werden, wobei es bei dieser Ausformung sicher ältere Vorlagen gab, so beispielsweise die bald nach 1600 geschaffenen Gesimskachel aus einer Töpferei in der Unteren Neckarstrasse in Heidelberg. Der Gesimskachel mit Puttenkopf über einem Feston, wie er in Ettlingen gefunden wurde, lassen sich formal und motivisch übereinstimmende Kacheln aus Altdahn, Bad Wimpfen, Baden-Baden-Steinsfurt, Bretten, Ettlingen, Hardenburg, Heilbronn, Hirsau, Karlsruhe-Durlach, Lorsch, Mannheim, Neudenau, Seligenstadt und Sinsheim an die Seite stellen. Die bislang bekannten Fundpunkte beschränken die Verbreitung der Gruppe weitgehend auf die Kurpfalz, den Kraichgau, sowie auf den nördlichen Oberrhein. Die Mainlinie markiert die nördliche Verbreitungsgrenze.
Die Ettlinger Kachel lag zusammen mit einem dazu passenden Model in der Lehmaufbereitungsanlage einer frühbarocken Töpferei auf dem Klösterle-Areal in Ettlingen. Der leider nur in geringem Umfang geborgene Inhalt des gemauerten Schachtes erbachte neben Fehlbränden von Keramik Fragmente weiterer Model, Patrizen sowie Ofenkacheln. Dabei überrascht die Qualität und Komplexität der Formen.
Die Verbreitung gleichartiger Ausformungen läßt sich nur unter Vorbehalt mit dem Export von Erzeugnissen einer Ettlinger Töpferwerkstatt erklären. So kam der Hafnerei auf dem Klösterle-Areal sicher nicht jene marktbeherrschende Stellung für einen Umkreis von mehr als fünfzig Kilometern zu, die notwendig gewesen wäre, um von hier aus bestimmend und formgebend zu wirken. Zudem räumten restriktive Hafnerordnungen den ortsansässigen Handwerkern lediglich für die Stadt, in der sie tätig waren, eine weitgehende Monopolstellung ein. Was sich im Kleinraum als optimal für die Werkstt erwiesen haben durfte, schränkte den Export der eigenen Produkte über die Stadtgrenzen erheblich ein. Die teilweise beachtlichen kunstfertigen Erzeugnisse in der Produktionspalette eher mittelmäßigen Hafnereien sowie das häufig deckungsgleiche Motivspektrum südwestdeutscher Kachelproduzenten können als Indiz dafür gewertet werden, dass diese seit der Mitte des 15. Jahrhunderts ihre künstlerisch anspruchsvolleren Dekore bei weithin bekannten und hoch bezahlten Modelschneidern erwerben mussten.
Weiterführende Literatur:
Dietrich Lutz, Ofenkacheln aus Heilbronn und Umgebung, Heilbronn 1973, S. 68-69, Kat.Nr. 23.
J. Weihrauch u. Dietrich Lutz, Fundchronik. Neudenau (Lkr. Heilbronn), in: Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 6 (1979) S. 268, S. 317, Abb. 49.
© Harald Rosmanitz, Partenstein 2006, überarbeitet und erweitert 2020