Das Bildfeld des Kachelmodels mit der Allegorie des Feuers ist von schlanken Säulen gerahmt, zwischen denen sich ein gedrückter Segmentbogen spannt. Das Rollwerk im Bogenscheitel wird von zwei vogelhaltenden Putten flankiert. Den Großteil des Bildes nimmt ein bärtiger Mann ein. Er sitzt auf einem Sessel mit hohen Armlehnen. Der Mann ist in einen dicken, fellgefütterten Mantel gehüllt. Auf dem Kopf trägt er eine Schlafmütze. Er wendet seine Füße einer Feuerstelle am rechten Bildrand zu. In dieser steht ein Gefäß. Mit einem langstieligen Holzlöffel rührt der Mann den Gefäßinhalt, vermutlich einen Brei, um. Der lange Vollbart und das von tiefen Falten durchzogene Gesicht kennzeichnen die Figur als alten Mann. Die Brille in seiner rechten Hand verweist ebenso auf seine Gebrechlichkeit wie auf seine Altersweitsicht. Der Mann wendet sich einer Frau zu, die rechts hinter ihm steht. Diese fasst dem Greis auf die Schulter. Dass es sich dabei um eine erotische Geste handelt, dafür spricht ihre unverhüllte rechte Brust. Die junge, schöne Frau steht in deutlichem Kontrast zu dem alten Mann im Vordergrund, dessen inneres Feuer gleichsam durch die Feuerstelle vor ihm ausgeglichen werden muss. Doch handelt es sich bei dem Ansinnen der Dame durchaus nicht um eine selbstlose Geste, greift sie doch mit ihrer Rechten in einen aufgetürmten Berg von edelsteinbesetzten Geschmeiden und Münzen. Die Pretiosen ruhen zusammen mit zwei bauchigen Flaschen auf einer Bank, die auf ihrer Vorderseite die spiegelverkehrte Inschrift IGNIS trägt.
Das Spiel mit den verschiedenen Bedeutungsebenen
Das Paar verkörpert das ungleiche Liebespaar. Das Motiv hat bis heute in Gesellschaft und Kunst nichts an Aktualität verloren. Angeregt durch die Reformation fand das Bildthema im deutschen Humanismus in zahllosen Varianten sowohl in der Literatur, als auch in der bildenden Kunst seinen Niederschlag. Die bildnerische Umsetzung wurde von der italienischen, niederländischen und deutschen Kunst, insbesondere von Werken im Umfeld von Lukas Cranach d. Ä. (1472-1553) beeinflusst. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bildet das ungleiche Liebespaar in Verbindung mit dem Narren zudem einen wesentlichen Bestandteil der Bildersprache auf Werken der Kachelkunst.1
Motive der Serie der Elemente als Liebespaar
Das eigentliche Bildthema auf dem Brettener Model, die Elementedarstellung tritt merklich in den Hintergrund, muss sogar eigens durch die Inschrift IGNIS (lat. Feuer) betont werden. Analog zur Darstellung der Erdteile, Evangelisten, Jahreszeiten, Lebensalter und Weltreiche eignet sich die Serie alleine schon aufgrund ihrer Motivanzahl nahezu ideal für die Ausstattung von Öfen mit rechteckigem Grundriss und freistehendem, allansichtigem Oberofen. Die vier Elemente können auf Werken der Kachelkunst im 17. Jahrhundert durchaus verschiedene Ausprägungen aufweisen. In Bretten arbeitete man das Thema nach Kupferstichen von Crispyn de Passe I. nach Vorlagen von Maerten de Vos (1532-1603) aus dem Ende des 16. Jahrhunderts.2 Das Motiv ist weitgehend der graphischen Vorlage entlehnt. Der fehlende Bildhintergrund und Vereinfachungen von Details sind dem kleinen Format der kleinen Dimensionierung des Innenfeldes geschuldet.
Graphische Vorlage der Serie der Elemente als Liebespaar
Liebeständel neben Fischen
Anhand der graphischen Vorlage und der Vergleiche kann die Szenenfolge erschlossen werden. So wird das Wasser durch einen Fischer, die Erde durch ein musizierendes Paar vor gedecktem Tisch, die Luft durch einen Falkner und das Feuer durch das angeführte ungleiche Liebespaar an einer Feuerstelle versinnbildlicht. Alle Darstellungen sind als Galanterieszenen gebildet. Der Liebeständel ließ sich scheinbar mühelos mit dem eigentlichen Bildthema verbinden. Aus den Paaren ergeben sich ikonographische Bezüge zu den beiden vogelhaltenden Putten in den Rahmenzwickeln, spielen doch die emporgehaltenen Vögel nach zeitgenössischer Emblematik überraschend deutlich auf das im Hauptbildfeld angestrebte Ziel des Liebeswerbens an. Stellt man die Szenen in der angegebenen Reihenfolge nebeneinander, erschließt sich neben der Verkörperung des Liebeständels und der Elemente eine dritte Bedeutungsebene: die Vergänglichkeit. So durchläuft der Mann bei etwa gleichbleibendem Alter seiner Gefährtin vier Lebensstadien, in deren Verlauf er sich vom Jüngling zum Greis entwickelt.
Die Serie erfreute sich in der Schweiz und in Südwestdeutschland außerordentlicher Beliebtheit.3 So findet sich das Motiv in Breisach, Bretten, Durlach, Offenburg, Pfronten, Ravensburg und Villingen.4 Das Motiv ist auch für Böhmen bezeugt.5 Ein Kachelmodel der Serie aus Baden in der Schweiz ist rückseitig in das Jahr 1618 datiert.6
Die Ursprünge liegen in Mitteldeutschland
Etwa gleichzeitig mit den süddeutschen Kachelreliefs dürfte nach den gleichen Druckgraphiken in Mitteldeutschland eine weitere Bildfolge entstanden sein.7 Sie ist wesentlich größer dimensioniert. Mit ihren mehr als 40 cm hohen Reliefs war es den Bildgestaltern möglich, die Druckgraphiken von Crispyn de Passe I bis ins kleinste Detail zu übernehmen. Das hochrechteckige Innenfeld wurde in eine Arkade mit diamantschnittbesetzten Sockeln, Hermenpfeilern mit ringhaltenden Löwenköpfen, muschelwerkbesetzter Bogenlaibung mit geflügeltem Puttenkopf im Bogenscheitel sowie mit geflügelten Puttenköpfen in den Zwickeln eingestellt. Eine deutschsprachige Inschrift in der Sockelzone weist die Bildfolge den vier Elementen zu. Patrizen aus dem Abfall einer Werkstatt in Leipzig sprechen dafür, die Motiventstehung der großen Elementeserie mit Liebespaaren nach Mitteldeutschland zu verorten.8 Als weiterer Produktionsort an der Elbe ist auf Magdeburg (Regierungsstraße) zu verweisen.9 In letztgenanntem Fundkontext haben sich auch Patrizenfragmente erhalten. Wir können daher davon ausgehen, dass für diese Serie mitteldeutscher Prägung Magdeburg als formgebend fungierte. Bezüglich des Nutzermilieus ist neben Stralsund10 Wittenberg11 und möglicherweise auch in Prag12 auf einen im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts in Stendal gesetzten Kachelofen zu verweisen.13
Neben den Verkörperungen der Elemente durch Liebespaare konnte das im beginnenden 17. Jahrhunderts sehr beliebte Motiv auf Werken der Kachelkunst auch anderweitig bildnerisch umgesetzt werden. Hier kommt der Allegorie in Form einer stehenden Ganzfigur eine besondere Rolle zu. Eine der bekanntesten Serien dieser Art stammt aus der Werkstatt von Johannes Vest.14 Eine Besonderheit des Rhein-Main-Raums ist die Elementeserie in Form kniender Putten.15 Bei der Wiedergabe von Einzelfiguren können mehrere Bedeutungsebenen vorhanden sein. So weisen Model aus Villingen die Elementeallegorien gleichzeitig als Versinnbildlichungen von Tierkreiszeichen und Jahreszeiten aus.
Weitere Ofenkeramiken der Serie der Elemente als Liebespaar
Weiterführende Literatur:
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Albrecht, Maria (2022): Patrizen, Matrizen und Kacheln. Die vier Elemente aus einer Magdeburger Kacheltöpferei. In: Cornelia Wenzel (Hg.): Keramik im häuslichen und repräsentativen Gebrauch (Muskauer Schriften 9), Bad Muskau, S. 339–348.
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© Harald Rosmanitz, Partenstein 2015, überarbeitet und erweitert 2020 und 2022
- Kristiansen 1996, S. 56-60.
- Ade 1989, S. 19; Brych/Rendek 2004, S.176, Kat.-Nr. 429-430; Mück 1990, S. 23-24, Abb. 62-68; Strauss 1983, Taf. 97-98; Žegklitz 2012, S. 57-58, Abb. 78-79
- Die erste Verbreitungskarte stammt von Baron Ludwig Döry Döry 2007, S. 186
- Ade 1989, S.19, Abb. 20/21; Appuhn-Radtke/Kayser 1986, S.881, Kat. Nr. S 44; Ball 1995, S 21; Eggenberger 2002, S. 178, Abb. 109/2; Frei 1931, S. 100-101; Mück/Schmidt 1989, S. 134, Abb. 7;
- Halík 1948, Abb. 23.
- Frei 1931, S. 100-101.
- Albrecht 2022; Reitz 1959
- Balfanz 1998, S. 153, Abb. 30.
- Albrecht 2022
- Hoffmann 2005, S. 66, Abb. 68.
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- Brych/Rednek 2004, S.176, Kat. Nr. 429-430; Zegklitz 2012, S. 57-58.
- Strauss 1983, S. 56, Taf. 97-98.
- Rosmanitz 1995, S. 130-135.
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