Motive: Anbetung der Könige von der Burg Bartenstein

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Eine wärmende Madonna

Fragment einer Halbzylinderkachel mit geschlossenem Vorsatzblatt mit unter einem strohgedeckten Baldachin sitzender Madonna von der Burg Bartenstein, Untermain, letztes Drittel 15. Jahrhundert, H. 22,0 cm, Br. 17,8 cm, Partenstein, Burg Bartenstein, Partenstein, Museum Ahler Kram, Fd.-Nr. 1035Die eindrucksvollste spätgotische Ofenkachel von der Burg Bartenstein1 zeigt an ihrer Vorderseite die sitzende Madonna. Die Muttergottes hält mit ihrer rechten Hand das nackte Jesuskind fest, das auf ihr rechtes Knie gestiegen ist. Ihr Kopf ist dem Kind zugeneigt. Mit ihrer linken Hand stützt sie einen der beiden ausgestreckten Arme des Jesuskinds. Maria trägt einen beidseits bis über die Schultern herabfallenden Schleier, ein hochgegürtetes Kleid und einen am Hals gerafften Mantel. Sie sitzt auf einer profilierten Bank. Unter dem Mantel schaut rechts außen ein Polster hervor. Bemerkenswert ist der Kontrast zwischen den Steilfalten des Mantels an den beiden vorgesetzten Beinen und den knittrigen Querfalten der auf der Bank zum liegen kommenden Gewandungsteile.

 

Das 3D-Modell der Ofenkachel mit Madonna

 

Die Figurengruppe wird von einem auf den ersten Blick erstaunlich schlicht wirkenden Gebäude umrahmt. Die hölzerne, nach vorne offene Konstruktion ist von einem schilfbedeckten Satteldach bedeckt. Dieses ist in der Mitte über dem Haupt Mariae durch eine krabbenbesetzte Gaube durchbrochen, die über den Dachfirst des Gebäudes leicht emporragt. Das Bildfeld wird umfangen von einer breiten, dreifach abgetreppten Rahmenleiste. Sie ist in sich durch zwei glatte Halbstäbe, eine ebenfalls glatte Kehle sowie eine Leiste gegliedert.

Im Aufbau wie in der großzügigen Gestaltung der Sitzfigur wirkt die Madonna gemessen, ruhig. Dies unterstreicht die überbordende Faltenführung mit der ihr innewohnenden Strenge. In auffallendem Kontrast stehen die Dargestellte und das schlichte Architekturgehäuse mit seinem schilfgedeckten Dach. Dieser Effekt wird durch die kronenartig wirkende Gaube stark abgemildert. Die Rahmenarchitektur gibt bewußt einen ungewöhnlich schlicht gehaltenen Rahmen vor. Die Motivkombination ist in der Kunst seit der Spätgotik der Geburt Christi, die sich in einem Stall bei Bethlehem zugetragen haben soll, vorbehalten (Lukas 2,1-12). Aus dem Fundzusammenhang auf der Burg Bartenstein wir ersichtlich, dass das zweifarbig gehaltene Kachelrelief mit Madonna Teil einer vierteiligen Bildfolge war. Zusammengenommen zeigte diese die Anbetung der Heiligen Drei Könige (Matthäus 2,1-12).

Madonnen sind ein auf spätgotischen Kachel beliebtes Motiv.2 Bislang sind nur wenige Ofenkacheln mit Madonna unter schilfgedecktem Baldachin bekannt. Neben einer annähernd modelgleichen, um 1480 entstandenen Kachel aus der Gegend um Nancy3 und einer Kachel, die im Museum für Angewandte Kunst in Wien aufbewahrt wird,4 ist auf eine Kachel aus Maxdorf in Sachsen-Anhalt5 zu verweisen. Eine Vergesellschaftung mit der Serie der Heiligen Drei Könige vom Typ Partenstein ist bei den genannten Fundstellen nicht nachweisbar.

Königliches Gefolge

Halbzylinderkachel mit geschlossenen Vorsatzblätter mit der Anbetung der Könige Typ Partenstein mit Madonna, Kaspar und Melchior von der Burg Bartenstein, Partenstein, Museum Ahler Kram, Fd.-Nr. 1035, H. 12,6 cm, Br. 16,5 cm

Der Motivfolge entsprechend rückt eine Gruppe von Kacheln mit den Heiligen Drei Königen on den Fokus der Betrachtung. Auf der Burg Bartenstein sind dieser 23 Fragmente zuzuweisen. Von den grüngelb glasierten Halbzylinderkacheln mit geschlossenen Vorsatzblättern hat sich ein Fragment mit Melchior am besten erhalten. Umfangen von einer Rahmenleiste, die in ähnlicher Gestalt auch die Kacheln mit der Madonna umschließt, wird das Bildfeld zur Gänze von zwei stehenden Figuren eingenommen. Der größere der Dargestellten blickt frontal zum Betrachter. Er trägt über lockigem Haupthaar einen Turban. Sein rechter Arm ist angewinkelt.

Die Figur wird zu ihrer Rechten von einer deutlich kleineren Gestalt flankiert, die gerade dabei ist, ihren Hut zu lüpfen. Mit ihrer rechten Hand umfaßt sie den Fuß eines Ciboriums, eines metallenen Verwahrgefäßes. Die Gruppe ist so angeordnet, dass sich das Ciborium in der Bildmitte befindet. Weitere Fragmente der Serie aus Partenstein zeigen einen knieenden bärtigen Mann, der eine geöffnete Schatulle in seinen Händen hält. Der Dargestellte ist ins Profil gedreht. Zu seinen Füßen liegt ein kronenartig ausgebildeter Turban. Ein von einer Stange herabhängender Wandbehang auf Kopfhöhe hinterfängt den Knieenden. Über dem Kopf ist ein großer Stern zu erkennen.

Die kostbar ausgestatteten Verwahrgefäße in Kombination mit der teuren Kleidung und den dazugehörigen Kopfbedeckungen weisen beide Personen als Teile der gesellschaftlichen Elite aus. Der Stern über dem Knieenden erlaubt die Identifikation der Dargestellten. Es handelt sich um zwei der drei Weisen aus dem Morgenland, die der Bibel folgend dem neugeborenen Jesus ihre Referenz erwiesen. Das Fest dieser Heiligen, das am 6. Januar begangen wird, gehört zu den höchsten Festen im kirchlichen Jahreslauf. Um die Popularität der Heiligen in ihrem vollen Umfang zu erfassen, muss man sich vor Augen halten, welche Bedeutung der Verehrung der Reliquien der drei biblischen Gestalten zugemessen wurde. Die in Mailand erbeuteten Köpfe der Heiligen Drei Könige gab Anlaß zur Errichtung des Kölner Doms in seiner heutigen Gestalt. Um die Heiligen Drei Könige Kaspar, Melchior und Balthasar ranken sich zahlreiche Legenden.6 Der Schilderung des Matthäusevangeliums zufolge brachten die drei Weisen aus dem Morgenland dem Neugeborenen ihre Gaben dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Die beiden Figuren auf den Partensteiner Kachelfragmenten sind als Kaspar (kniend) und Melchior (stehend) zu identifizieren.

Verbreitung von Kachelreliefs der Serie der Heiligen Drei Könige Typ Partenstein  Legende: rot: Kachelofenstandort; blau: ProduktionsstandortDie Kachelkunst hat sich in der Spätgotik und in der ausgehenden Renaissance mehrfach der Darstellung der Anbetung der Heiligen Drei Könige angenommen. Das Heilsgeschehen kann entweder szenisch zusammengefaßt7 oder auf vier Kacheln verteilt sein. Eine zeigt die thronende Madonna. Auf drei weitere Kacheln erkennt man jeweils einen der Heiligen Drei Könige. Damit entspricht die spätgotische, vierteilige Bildfolge in ihrem Aufbau zwei etwa zeitgleichen Kachelserien. Beide, auch die Reliefs vom Typ Bosenstein, zeigen die Heiligen Drei Könige als stehende Ganzfiguren.8 Etwas früher dürfte in der Nordschweiz die Kachelserie mit den reitenden Gabenbringern entstanden sein. Eingebunden in ein taubandbesetztes Medaillon9 ähneln die quadratischen Kacheln in ihrem Aufbau denjenigen mit dem Ritter bei Gestech von der Burg Bartenstein. Bald nach 1560 dürfte die in eine Pfeilerarkade mit lilienförmigen Besätzen eingebettete Bildfolge des in Hessen entstanden sein.10 Kacheln dieser Serie sind für Partenstein archäologisch bezeugt. Sie stammen aus einem Anwesen im Torweg.11 Das Gebäude dürfte zu jener Zeit inmitten des Dorfes gestanden haben.

 

Harald Rosmanitz, Partenstein 2022


Weiterführende Literatur:

Benz, Richard (1984): Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine, 10. Aufl., Heidelberg.

Bock, Hartmut (2012): 40 Jahre Ausgrabungen der Jungen Archäologen der Altmark (Kleine Hefte zur Archäologie in Sachsen-Anhalt 9), Halle (Saale).

Engelbach, Klaus (2004): Renaissance-Kacheln mit dem Namen THOMVS H. In: Fornax. Forschungen zu historischen Heizanlagen (1), S. 21–30.

Gruia, Ana-Maria (2013): Religious representations on stove tiles from the medieval kingdom of Hungary, Cluj-Napoca.

Gryzińska-Sawicka, Natalia; Poklewska-Koziełł, Magdalena (2014): Kafel z wyobrażeniem Madonny z Dzieciątkiem. Z badań archeologicznych na poznańskim Ostrowie Tumskim. In: Ecclesia. Studia z Dziejów Wielkopolski 9, S. 91–107.

Hallenkamp-Lumpe, Julia; Peine, Hans-Werner (2009): Renaissancezeitliche Reliefkacheln und gusseiserne Ofenelemente von Schloss Horst (Phase V: 1554 bis 1582). In: Hans-Werner Peine; Julia Hallenkamp-Lumpe (Hg.): Forschungen zu Haus Horst in Gelsenkirchen. Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Öfen (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 49.3), Mainz, S. 81–199.

Holl, Imre (2009): Der Ofen mit den Heiligen Drei Königen im Palast von Buda. In: Acta Archaeologica 60 (2), S. 423–440. DOI: 10.1556/AArch.60.2009.2.9.

Mielke, Heinz-Peter (2015): Renaissancekacheln vom Typ HANS HEFN. Funde in der Wetterau und Mittelhessen und die Frage nach beteiligten Kunsthandwerkern. In: Wetterauer Geschichtsblätter 63/2014, S. 267–289.

Minne, Jean-Paul (1977): La céramique de poêle de l’Alsace médiévale, Strasbourg.

Pillin, Hans-Martin (1990): Die Drei-Königs-Kacheln der Burg Bosenstein aus dem 15. Jahrhundert. In: Die Ortenau. Veröffentlichungen des Historischen Vereins für Mittelbaden 70, S. 339–346.

Rosmanitz, Harald (2006): Neues von der Burg Bartenstein im Spessart. Gemeinde Partenstein, Landkreis Main-Spessart, Unterfranken. In: Das Archäologische Jahr in Bayern 2005, S. 131–133.

Rosmanitz, Harald (2008): Auf den Spuren des Spessartglases. Archäologische Untersuchungen auf der Burg Bartenstein bei Partenstein. In: Helmut Flachenecker; Gerrit Himmelsbach; Peter Steppuhn (Hg.): Glashüttenlandschaft Europa. Beiträge zum 3. Internationalen Glassymposium in Heigenbrücken, Spessart (Historische Studien der Universität Würzburg 8), Regensburg, S. 84–94.

Rosmanitz, Harald (2011): Der „Bunte Hund“ von Partenstein. Überlegungen zum Fund eines renaissancezeitlichen Kachelofens. In: Beiträge zur Archäologie in Unterfranken 7, S. 271–293.

Rosmanitz, Harald (2017): Vom Hölzchen auf´s Stöckchen. Was hat ein Einhorn auf Ofenkacheln zu suchen? In: Christoph Rinne; Jochen Reinhard; Eva Roth Heege; Stefan Teuber (Hg.): Vom Bodenfund zum Buch. Archäologie durch die Zeiten. Festschrift für Andreas Heege zum 60. Geburtstag, Bonn, S. 273–288.

Rosmanitz, Harald (2022): Reliefierte Ofenkacheln des Spätmittelalters und der Neuzeit aus dem Spessart im Spannungsfeld von Motivgeber, Handwerker und Verbraucher. Möglichkeiten und Grenzen einer induktiven Kontextualisierung. (masch. Diss), Partenstein.

Schnyder, Rudolf (2011): Mittelalterliche Ofenkeramik. Bd. 2: Der Züricher Bestand in den Sammlungen des Schweizerischen Nationalmuseums, Zürich.

Strauss, Konrad (1972): Die Kachelkunst des 15. und 16. Jahrhunderts in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Skandinavien. II. Teil, Basel.

Tamási, Judit (1995): Verwandte Typen im schweizerischen und ungarischen Kachelfundmaterial in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Vergleichsuntersuchungen zu den Werkstattbeziehungen zwischen dem oberrheinischen Raum und Ungarn (Müvészettörténet-Müemlékvédelem VIII), Budapest.

Unger, Ingeborg (Hg.) (1988): Kölner Ofenkacheln. Die Bestände des Museums für Angewandte Kunst und des Kölnischen Stadtmuseums, Köln.


 

  1. Rosmanitz 2006; Rosmanitz 2008; Rosmanitz 2017, S. 278-279; Rosmanitz 2022, S. 145-147
  2. Gruia 2013, S.43-44; Gryzińska-Sawicka/Poklewska-Koziełł 2014
  3. Holl 2009; Minne 1977, S. 304, Kat.-Nr. 227
  4. Strauss 1972, Taf. 39.2
  5. Bock 2012, S. 42, Abb. 49
  6. Benz 1984, S. 102-111
  7. Hallenkamp-Lumpe/Peine 2009, S. 136, Kat.-Nr. BK-10; Unger 1988, S. 153-154, Kat.-Nr. 103
  8. Pillin 1990
  9. Schnyder 2011, S. 305-311, Kat.-Nr. 243-246; Tamási 1995, S. 55-57
  10. Engelbach 2004; Mielke 2015, S. 273; Rosmanitz 2011, S. 275-278
  11. Rosmanitz 2011