Motive: Tapete mit Blüten aus Meiningen*

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Fragment einer Blattkachel mit Tapetendekor mit Rosen und Kielbögen dunkelbraun glasiert, Meinigen, letztes Drittel 16. Jh., H. 20,2 cm, Br. 10,4 cm, Römhild, Steinsburgmuseum, Inv.-Nr. 09911, urspr. Meiningen, SchwabenbergBlattkacheln, deren Oberflächen aus ornamentalen Versatzstücken bestehen, erlebten am Übergang von der Renaissance zum Frühbarock ihre Hochblüte. Die zur Anwendung kommenden Dekore gleichen zeitgenössischen Ornamenten auf Bekleidung, Teppichen, Wandbespannungen und Ledertapeten.1 Sie lassen sich, wie bei der Anbringung von Tapeten, noch heute üblich, in horizontal zueinander versetzten Reihen beliebig oft neben- und übereinander anordnen.

Zahlreiche Belege für Hessen, Südthüringen und Sachsen-Anhalt sprechen dafür, dass in der Renaissance rein ornamental verzierte Öfen auch nördlich des Mains gerne für die Ausstattung repräsentativer Räume zum Einsatz kamen. Derzeit muss noch offenbleiben, in wieweit der Einsatz von Tapetenkacheln und deren gehäuftes Auftreten in reformierten Städten und Regionen konfessionell bedingt ist.2 Wie wir uns solche Öfen vorzustellen haben, zeigt der am Ende des 16. Jahrhunderts entstandene, braun glasierte Kombinationsofen mit rundem Oberofen im Tafelgemach der Wilhelmsburg in Schmalkalden.3

Das Bildfeld der Meininger Fragmente vom Schwabenberg verfügt über eine spiegelsymmetrische Komposition in Form von mit Ovalen besetzten, mittig verschnürten, gegenläufigen Kielbögen. Sie laufen nach oben und unten in Quastenbesätzen aus. (Abb. 09) Die Kielbögen umschließen achtblättrige Rosen sowie Akanthusrosetten mit nach außen weisenden, noppenbesetzten Furchtständen. Im Vergleich mit den sehr flach gearbeiteten, von grazilen, akanthusblattbesetzten Ranken durchzogenen Kielbögen auf dem Schmalkaldener Ofen wirken die in Meiningen zum Einsatz kommenden Versatzstücke überzeichnet. Zudem wird die bereits auf spätgotischen Öfen gerne gezeigte, vielblättrige Rose an hervorgehobener Stelle in das Bildprogramm der Einzelkachel integriert. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass der Produzent der Meininger Reliefs dabei eine nahtlose Fortsetzung der Marienikonographie im Sinne hatte.

Verbreitung der Blattkacheln mit Tapetendekor mit Blüten, Karte: Sabrina Bachmann, HeimbuchenthalEinen ersten Datierungsansatz für die Meininger Reliefs mit Tapetendekor liefern zwei Kachelmodel aus Speyer. Sie gehören zu dem am Ende des 19. Jahrhunderts selektiv geborgenen Werkstattbruch einer Töpferei in der Greifengasse in Speyer.4 Ihre Hochblüte dürfte die Werkstatt in den 1560er Jahren erlebt haben. In FurnArch sin bislnag 46 Fragmente dieses Tapetenmotivs erfasst (Stadt Juni 2020)

Vergleichbare Kachelfragente von der Hardenburg bei Bad Dürkheim sowie aus der Pleich in Würzburg datieren die Zerstörung entsprechender Öfen an das Ende des 17. Jahrhunderts. In den gleichen zeitlichen Kontext lassen sich Reliefs aus Flehingen, Sinsheim und Zuzenhausen stellen. Sie wiesen den Kraichgau als einen Verbreitungsschwerpunkt des Motivs aus.

In FurnArch und Furnlit sind derzeit 56 Fundstücke nachweisbar (Stand Juni 2020). Sie lassen sich 20 Fundorten zuweisen. Das Motiv ist demnach sowohl für den deutschen Südwesten als auch für Mittel- und Norddeutschland bezeugt. Die Produktionsorte Bad Neustadt/Saale, Klausenhof, Leipzig, Lübeck und Speyer legen eine Produktion in allen Regionen nahe. Besondere Bedeutung kommt hierbei den für die Weiterverbreitung des Motivs bedeutenden Werkstätten in Leipzig und Speyer zu. Ob das Motiv im Süden der Republik entwickelt wurde und von dort seinen Weg in den Norden nahm oder ob dieser Prozess in umgekehrert Richtung erfolgte, lässt sich nicht schlüssig nachvollziehen.

Fragment einer Blattkachel mit Tapetendekor mit Rosen und Kielbögen
dunkelbraun glasiert, letztes Drittel 16. Jh., H. 20,2 cm, Br. 10,4 cm

Römhild, Steinsburgmuseum, Inv.-Nr. 09911, urspr. Meiningen, Schwabenberg

Fragment einer über Eck geführten Blattkachel mit Tapetendekor mit Rosen und Kielbögen
dunkelbraun glasiert, letztes Drittel 16. Jh., H. 13,5 cm, Br. 9,5 cm

Römhild, Steinsburgmuseum, Inv.-Nr. 09911, urspr. Meiningen, Schwabenberg

Fragment einer Blattkachel mit Tapetendekor mit Rosen und Kielbögen
graphitiert, letztes Drittel 16. Jh., H. 16,0 cm, Br. 16,0 cm

Privatbesitz, urspr. Flehingen

Fragment einer Blattkachel mit Tapetendekor mit Rosen und Kielbögen
graphitiert, letztes Drittel 16. Jh., H. 16,0 cm, Br. 16,0 cm

Privatbesitz, urspr. Flehingen

Fragment einer Blattkachel mit Tapetendekor mit Rosen und Kielbögen
dunkelbraun glasiert, letztes Drittel 16. Jh., H. 15,2 cm, Br. 13,2 cm

Speyer, Historisches Museum der Pfalz, urspr. Bad Dürkheim, Hardenburg

Model einer Blattkachel mit Tapetendekor mit Rosen und Kielbögen
unglasiert, letztes Drittel 16. Jh., H. 22,5 cm, Br. 22,6 cm

Speyer, Historisches Museum der Pfalz, urspr. Speyer, Greifengasse

Model einer Blattkachel mit Tapetendekor mit Rosen und Kielbögen
unglasiert, letztes Drittel 16. Jh., H. 22,4 cm, Br. 22,7 cm

Speyer, Historisches Museum der Pfalz, urspr. Speyer, Greifengasse

*erweiterte und überarbeitete Fassung von: Rosmanitz, Harald (2013): Wohlige Wärme in der Residenzstadt. Meininger Kachelgeschichte(n). In: Mathias Seidel (Hg.): Spiegel des Alltags. Archäologische Funde des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus Meiningen. Meiningen, S. 57–71.


Weiterführende Literatur:

Appuhn-Radtke, Sibylle; Kayser, Eva (1986): Keramik. In: Irmela Franzke (Hg.): Die Renaissance im deutschen Südwesten zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg, Bd. 2. Karlsruhe, S. 845–884.

Bischop, Dieter (2005-2008): „Ich würde dir ohne Bedenken eine Kachel aus meinem Ofen schenken“. Bremer Ofenkacheln des 13. bis 17. Jahrhunderts. In: Bremer Archäologische Blätter 7, S. 265–356.

Harnack, Rüdiger (2018): Ofenkacheln aus der Lübecker Altstadt. Archäologische Funde des 12. bis 17 Jahrhunderts. In: Manfred Schneider (Hg.): Funde aus der Lübecker Altstadt I. Spielzeug und Ofenkacheln, Tonpfeifen und Tuchplomben. Rahden/Westfalen (Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte 32), S. 159–252.

Heidenreich, Herbert (1978): Teppichmuster an Renaissance-Öfen im Museum der Schwalm. In: Schwälmer Jahrbuch 1977, S. 140–143.

Heidenreich, Heribert (2009): Die Renaissancetöpferei auf dem Klaushof in der Gemarkung Neukirchen (Schwalm-Eder-Kreis). Marburg.

Kajzer, Leszek (2006): Wstępna informacja o zbiorze późnogotyckich kafli z zamku w Ujeździe koło Tomaszowa Mazowieckiego. [Preliminary information on a collection of late gothic stove tiles from a castle in Ujazd near Tomasszów Mazowiecki]. In: Łódzkie Sprawozdania Archeologiczne 10, S. 259–273.

Konze, Marlies (2005): Archäologische Spurensuche in Barth. In: Jörg Scheffelke und Gerd Garber (Hg.): Stadt Barth 1255-2005. Beiträge zur Stadtgeschichte. Schwerin, S. 63–74.

Pavlík, Čeněk; Vitanovský, Michal (2004): Encyklopedie kachlů v Čechách, na Moravě a ve Slezsku. Ikonografický atlas reliéfů na kachlích gotiky a renesance. Praha.

Poklewska-Koziełł, Magdalena (2018): Dekoration auf Ofenkacheln aus dem 16. bis 18. Jahrhundert von den archäologischen Forschungen im ehemaligen Zisterzienserkloster in Bierzwnik – Woiwodschaft Westpommern. In: Jitka Šrejberová (Hg.): Kachle a kachlová kamna. [Ofenkacheln und Kachelöfen]. Ústí nad Labem, S. 83–98.

Rosmanitz, Harald (2013): Wohlige Wärme in der Residenzstadt. Meininger Kachelgeschichte(n). In: Mathias Seidel (Hg.): Spiegel des Alltags. Archäologische Funde des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus Meiningen. Meiningen, S. 57–71.

Roth Heege, Eva (2007): Konfession und keramische Bilderwelt. Spiegeln sich in der Ofenkeramik des 16. Jahrhunderts im schweizerischen Mittelland Einflüsse der Reformation und der Gegenreformation? In: Carola Jäggi und Jörn Staecker (Hg.): Archäologie der Reformation. Studien zu den Auswirkungen des Konfessionswechsels auf die materielle Kultur. Berlin/New York (Arbeiten zur Kirchengeschichte 104), S. 369–397.

Schäfer, Heiko (2007): Kacheln von den Grundstücken Mühlenstraße 10 bis 14 in Stralsund unter besonderer Berücksichtigung der im Jahre 1680 zugrunde gegangenen Öfen. In: Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 14, S. 169–198.

Stephan, Hans-Georg (1997): Die Renaissancekachelöfen im ländlichen hessischen Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden/Thüringen. In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 102, S. 25–88.

Teuber, Stefan (2012): Die vorwiegend renaissancezeitlichen Ofenkacheln aus dem Eickeschen Haus und ihre ikonographische Deutung im Kontext der Reformation. In: Betina Meißner (Hg.): 400 Jahre Bürgerstolz. Das Eickesche Haus in Einbeck 1612 – 2012. Göttingen, S. 61–86.

Wegner, Martina (2019): Sächsische Ofenkeramik der frühen Neuzeit. Produktion und Bildmotive sowie deren Ausbreitung am Beispiel der Töpfereiabwürfe vom Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig. (masch. Diss.). Bamberg.


© Harald Rosmanitz, Partenstein 2020

  1. Kajzer 2006, S. 87-103.
  2. Roth Heege 2007
  3. Stephan 1997, bes. S. 78-80, Taf. 26-27
  4. Speyer, Historisches Museum der Pfalz, Inv. Nr. HM 56. Zur Werkstatt: Appuhn-Radtke/Kayser 1986, bes. S. 872f, Kat. S 30-32