Motive: Eckkachel mit Blattmasken aus Emmendingen

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Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes dunkelbraun glasiert, 17. Jh., H. 18,5 cm, Br. 11,4 cm Emmendingen, Hochburgmuseum, urspr. Emmendingen, Hochburg, BurgvogteiBei der Sanierung der Hochburg bei Emmendingen konnte eine Vielzahl von reliefierten Ofenkeramiken geborgen werden. Die frühesten stammen noch aus dem 14. Jahrhundert. Die über Eck geführten Blattkacheln können an den Ecken mit drei übereinander angeordneten Masken aufwarten. Das Relief entspricht Kacheln vom Saumarkt in Karlsruhe-Durlach. 1

Der dort 1991 aufgedeckte Befund enthielt insgesamt sechzehn Einzelscherben. Sie sind mindestens zwei als Eckkacheln ausgebildeten Ofenkeramiken dieses Motivtyps zuzuweisen. Sie lassen sich zusammen mit den Kacheln aus der Serie der vier Elemente dem unteren Teil eines zweistufigen keramischen Ofenaufsatzes für einen Ofen mit gußeisernem Unterbau zuweisen.

Ein dreifach getreppter Rahmen mit gerade abgestrichener Randleiste umschließt das übereck gestellte Zentralmotiv. Es setzt sich aus drei übereinander angeordneten Masken zusammen. Die untere Maske wurde als bärtiges Gesicht mit breiter, weit aus der Fläche vortretender Nase gearbeitet. Seine überdimensionalen Augenbrauen werden von zwei horizontal nach außen weisenden, breitlappigen Blättern mit betonter Mittelrippe gebildet. Der Horizontalzug der Augenbrauen findet seine Entsprechung in einem breiten Oberlippenbart, der ebenfalls aus zwei nach außen weisenden Blättern besteht. Die fehlende Kontur des Gesichtes erklärt sich aus der ornamentalen Auflösung einzelner Partien und dem Streben des Künstlers nach fließenden Übergängen von der ornamentalen Blattmaske zum Bildhintergrund. Die Abmessungen des Gesichtes können lediglich anhand der Modellierung der Wangenknochen und der Kinnpartie erschlossen werden. Die Blattmaske liegt auf einem glatten Untergrund, dessen Ränder als blätterbesetztes Rollwerk gearbeitet wurden. Das Mittelfeld des Zentralmotivs ist mit einem Engelskopf besetzt. Das vollplastisch aus der Fläche vortretende, pausbäckige Gesicht wird durch schläfenlanges, welliges Haupthaar, eine breite Nase mit ausladenden Nasenflügen und wulstigen Lippen charakterisiert. Die nach unten weisenden, buschigen Brauen werden durch eine mondsichelförmige Stirnfalte über dem Nasenrücken zusammengeschlossen. Der Putto trägt um seinen Hals eine Perlenkette mit sich nach oben verjüngenden Segmenten. Der frontal auf den Betrachter gerichtete Puttenkopf wird von zwei vor der Brust gekreuzten Flügeln und zwei im Schulterbereich ansetzenden, nach oben weisenden Gefiederstrukturen gerahmt. Durch die vier Flügel gibt sich der Putto als Cherubim zu erkennen. Die vor die Brust gelegten Schwingen wurden als sich überlagernde, plattenförmige Struktur gearbeitet. Die seitlichen Flügel sind hingegen deutlich detaillierter gestaltet. Sie bestehen aus drei Federschichten. Die Spitzen der äußeren Federreihe enden in nach innen weisenden Voluten. Nach oben schließt eine einfache Radhaube den Kopf ab. Darüber ist die Büste eines bärtigen Mannes zu erkennen. Dessen Oberkörper ist von einem antikisierenden Brustpanzer bedeckt. Er wird auf Brusthöhe durch einen Riemen mit dem Rückenteil verbunden. Der Armbereich ist von den Flügelspitzen des darunter angeordneten Puttos verdeckt. Das Gesicht des bärtigen Mannes ist durch schulterlanges, welliges Haupthaar mit hoher Stirn geprägt. Zwei vortretende Augenbrauen mit verbindender Stirnfalte schließen die hohe Stirn von dem Gesichtsfeld ab. Die hohe Stirn und eine feine Durchsetzung der Haut mit horizontalen Fältchen knapp unterhalb des Haaransatzes charakterisieren den Dargestellten als alten Mann. Die Bögen der Augenbrauen leiten zu einer breiten Nase über, unter der sich ein buschiger Vollbart abzeichnet. Er bedeckt die gesamte Mundpartie und teilt sich unterhalb des Kinns in zwei nach außen weisende Hälften. Vergleichbare Kacheln zeigen, dass der Bart ursprünglich von zwei auf den Schultern aufsitzenden Tiermasken im Profil flankiert wurde. Die Büste ist in eine Nische eingestellt, deren Scheitel durch eine Rollwerkvolute geschmückt wird. Die Nische wird durch strahlenförmig nach außen weisende, aufgelegte Halbstäbe und Kehlen in etwa gleichgroße Segmente unterteilt. Die Zwickel zwischen Nische und Bildrahmen sind mit einer zweiblättrigen Akanthusrosette besetzt.

 

Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
dunkelbraun glasiert, 17. Jh., H. 18,5 cm, Br. 11,4 cm

Emmendingen, Hochburgmuseum, urspr. Emmendingen, Hochburg, Burgvogtei
Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
dunkelbraun glasiert, 17. Jh., H. 19,0 cm, Br. 10,5 cm

Rastatt, Archäologisches Landesmuseum, urspr. Meßkirch, Schloss
Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
dunkelbraun glasiert, 17. Jh., H. 22,2 cm, Br. 11,5 cm

Emmendingen, Hochburgmuseum, urspr. Emmendingen, Hochburg, Schneckenkasten
Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
graphitiert, Ende 17. Jh.

Rastatt, Archäologisches Landesmuseum, urspr. Karlsruhe-Durlach, Saumarkt, Keller mit Barocköfen
Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes, daran angehängt eine Schmalseite mit stehender Frau
grün glasiert, Ende 17. Jh., H. 24,0 cm, Br. 19,5 cm

Colmar Unterlindenmuseum, Inv.-Nr. C-V-14i, urspr. unbekannt
Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes, Schmalseite mit Turbanträgern
grün glasiert, 17. Jh., H. 22,0 cm, Br. 18,0 cm

Freiburg Augustinermuseum, Inv.-Nr. 4224a, urspr. Freiburg (?)
Model und Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
Kachel grün glasiert, 17. Jh., Model: H. 29,0 cm, Br. 9,5 cm

Karlsruhe, Badisches Landesmuseum (Model: Inv.-Nr. IN 124)
Model und Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
Kachel grün glasiert, 17. Jh., Model: H. 25,0 cm, Br. 13,5 cm

Karlsruhe, Badisches Landesmuseum (Model: Inv.-Nr. V 4765)
Model einer Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
unglasiert, 17. Jh., H. 24,5 cm, Br. 9,5 cm

Karlsruhe, Badisches Landesmuseum, Inv.-Nr. IN 125
Model einer Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
unglasiert, 17. Jh., H. 24,2 cm, Br. 17,1 cm

Rothenburg o. T., Töpferei Ehler
Model einer Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
unglasiert, 17. Jh., H. 13,8 cm, Br. 8,2 cm

Rothenburg o. T., Töpferei Ehler
Model einer Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
unglasiert, 17. Jh., H. 24,0 cm, Br. 15,0 cm

Straßburg FHM, Inv.-Nr. 12829, urspr. Straßburg (?)
Model einer Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
unglasiert, Anfang 17. Jh., H. 24,4 cm, Br. 9,0 cm

Stuttgart WLM, Inv.-Nr. E 3065
Model einer Eckkachel mit drei Masken: Blattmaske - Puttenkopf - Büste eines bärtigen Mannes
unglasiert, 17. Jh., H. 19,4 cm, Br. 13,0 cm

Würzburg, Museum für Franken, Inv.-Nr. S 09664
Eckkachel mit drei Masken
graphitiert, 17. Jh., H. 27,0 cm, Br. 11,5 cm

Stuttgart WLM, Inv.-Nr. 10905, urspr. Laupheim
Blattkachel mit drei Büsten mit Nimbus in verschiedenen Altern (Trinität) zwischen Halbsäulen mit korinthischen Kapitellen
grün glasiert, 17. Jh., H. 13,5 cm, Br. 31,0 cm

Freiburg Augustinermuseum, Inv.-Nr. 4322, urspr. Freiburg (?)

 

Die maskengeschmückte Kachel gehört zu einer Motivgruppe, bei der ein solcher Dekor zur Gestaltung der Eckbereiche genutzt wurde. Dieserverfügt augenscheinlich über kein ikonographisch aussagefähiges Bildprogramm. Annähernd übereinstimmende Kacheln und Model stammen aus Salzburg2, sowie von einem Kurfürstenofen in Maria Plain bei Salzburg3. Eine ikonographische Deutung der Kachel steht noch aus. Das dreiteilige Zentralmotiv könnte auf den ersten Blick als Versinnbildlichung der Trinität angesprochen werden. Dem widerspricht weniger die als Blattmaske gebildete Verkörperung des Heiligen Geistes, als die cherubinhafte Gestaltung Christi. Auch eine Ansprache der Männerbüste im oberen Drittel als Gottvater4, der von einer nimbenförmigen Muschelnische hinterfangen wird, erweist sich als problematisch. Dies kommt besonders deutlich beim Vergleich mit Leistenkacheln aus Freiburg im Breisgau5 und vom Bruder-Konrad-Stift in Mainz6 zur Geltung. Dort sind die Büsten der bärtigen Männer in eine Reihe mit zwei weiteren Männerbüsten gestellt, die sowohl die Lebensalter, als auch die Dreifaltigkeit symbolisieren.

Blattkachel mit drei Büsten mit Nimbus in verschiedenen Altern (Trinität) zwischen Halbsäulen mit korinthischen Kapitellen; grün glasiert, 17. Jh., H. 13,5 cm, Br. 31,0 cm; Freiburg Augustinermuseum, Inv.-Nr. 4322, urspr. Freiburg (?)

Eine entsprechende Ansprache bezieht sich auf die Tiermasken, die Franz ikonographisch mit Darstellungen von Tod und Teufel auf einem Schlußstein mit Papstbüste von der Schallaburg bei Melk vergleicht7. Bei genauer Betrachtung erweisen sich die beiden Masken auf den Salzburger Eckkachelmodeln als gleichartige Schulterbesätze des Brustpanzers und somit weniger als ikonographisches Beiwerk, denn als Kleidungsdetail. Als letztes Argument gegen eine wie auch immer geartete Deutung der Darstellung im christlichen Kontext sei darauf hingewiesen, dass die Büste des bärtigen Mannes auf Werken der Kachelkunst multifunktional genutzt wurde. So ist eine vergleichbare Ausformung aus der Amthausstraße 11 in Durlach mit einer Frauenmaske über einem akanthusblattbesetzten Postament vergesellschaftet8. Bei der auffallend aufwendig ausgebildeten Eckkachel nehmen die Löwenköpfe die Stelle der fehlenden Arme ein.

Die Zuweisung des Motivs zur Strobel-Werkstatt in Salzburg scheint schon aufgrund der auffallenden Häufung am Oberrhein eher unwahrscheinlich. Von dem in ganz Südwestdeutschland verbreiteten Motiv haben sich in Karlsruhe drei Model in unterschiedlichen Größen erhalten9. Sie erlaubten es dem Töpfer, die Eckkachel mit einer Vielzahl verschieden hoher Kacheln zu kombinieren.

 Verbreitung Eckkacheln mit Blattmasken. Karte: Sabrina Bachmann, HeimbuchenthalDas Produzenten- und Verbrauchermilieu, in dem sich Eckkacheln oder über Eck geführte Blattkacheln mit den drei Masken als Eckbesatz nachweisen lassen, erstreckt sich über Süd- und Südwestdeutschland und das angrenzende Elsaß. Ein weiterer Produktionsschwerpunkt ist für Salzburg nachweisbar.
Zu dem Motiv sind mehrere Varianten bekannt. So folgte eine über Eck geführte Blattkachel aus Hausen am Albis im Kanton Zürich in ihrer Ausführung lediglich grob dem gleichen Grundprinzip.10 Gleiches gilt für eine Eckkachel aus Laupheim.11


Harald Rosmanitz, Partenstein 2022

 

Weiterführende Literatur

Ertel, Konstanze; Rosmanitz, Harald (1999): Verborgene Schätze. Die Funde vom Durlacher Saumarkt, Karlsruhe.

Feuchtmüller, Rupert; Flossmann, Gerhard (1989): Renaissance-Schloss Schallaburg, Himberg.

Langthaler, Ernst (1979): Alte Salzburger Hafnerkunst. Dokumentation zu den Funden im Haus Steingasse 67 in Salzburg. 2. Teil, Salzburg.

Rosmanitz, Harald (1992): Die barocken Kachelöfen aus dem Haus eines Kaufmanns im Bereich des Saumarkts in Karlsruhe-Durlach. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1992, S. 352–355.

Rosmanitz, Harald (1994a): Ein frühbarocker Kachelofen in Karlsruhe-Durlach Amthausstraße 11. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes 23, S. 60–71.

Rosmanitz, Harald (1994b): Evangelisten, Tugenden und ein Kurfürst. Bildersprache und Formenvielfalt frühbarocker Ofenkacheln. In: Albrecht Bedal; Isabella Fehle (Hg.): Hausgeschichten. Bauen und Wohnen im alten Hall und seiner Katharinenvorstadt (Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums Schwäbisch Hall 8), Sigmaringen, S. 149–164.

Rosmanitz, Harald (1995a): Die barocken Plattenöfen aus dem Bereich des Saumarkts in Karlsruhe-Durlach. Bildersprache und Rekonstruktion. (masch. Magisterarbeit), Karlsruhe.

Rosmanitz, Harald (1995b): Die frühbarocken Plattenöfen aus dem Haus eines Kaufmanns in Karlsruhe-Durlach. Zur Frage der Rekonstruktion und Motivwahl. In: Werner Endres (Hg.): Zur Regionalität der Keramik des Mittelalters und der Neuzeit. Beiträge des 26. Internationalen Hafnerei-Symposiums (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 32), Bonn, S. 125–142.

Spühler, Theodor (1988): Die Hafnerfamilie Margsthaler von Eberswil (Gemeinde Hausen am Albis, Kanton Zürich). In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 45, S. 129–138.

Svoboda, Christa (1981): Alt-Salzburger Hafnerkunst. Model und Kacheln des 16. bis 18. Jahrhunderts aus der Strobl-Werkstatt, Salzburg.


 

  1. Ertel/Rosmanitz 1999; Rosmanitz 1992; Rosmanitz 1995b
  2. Zwei Model für Eckkacheln aus der Steingasse 67, Salzburg, Slg. Langthaler (Langthaler 1979, Taf. 21; Svoboda 1981, S. 67, Kat.-Nr. 101, Abb. 76)
  3. Langthaler 1979, Taf. 21a
  4. Kat. Salzburg 1979, 7; Svoboda 1981, 67, Kat. Nr. 101
  5. Freiburg, Augustinermuseum, Inv.-Nr. 4322
  6. Mainz, Generaldirektion kulturelles Erbe, Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Mainz
  7. Feuchtmüller/Flossmann 1989, S. 121, Abb. 51
  8. Rosmanitz 1994a, S. 62, Abb. 5
  9. Karlsruhe, Badisches Landesmuseum, Inv. Nr. 125 (Höhe 24,4 cm), Inv. Nr. V 4765 (Höhe. 32,0 cm), Inv. Nr. V 4765 (Höhe 42,0 cm)
  10. Spühler 1988, S. 132, Abb. 6
  11. Stuttgart, Landesmuseum Württemberg, Inv.-Nr. 10905